Dschihadisten auf Vormarsch
Kriegs-Chaos in Syrien: Wie gehen die USA mit dem brisanten Konflikt um?
- Veröffentlicht: 05.12.2024
- 13:19 Uhr
- Joachim Vonderthann
Auch als Folge der Kriege in der Ukraine und in Nahost ist der Syrien-Konflikt neu entbrannt. Russland und der Iran unterstützen Machthaber Assad. Die USA stehen vor einem Dilemma.
Das Wichtigste in Kürze
Der Vormarsch der überwiegend islamistischen Rebellen in Syrien geht weiter.
Er hat auch mit der Schwächung Russlands wegen des Ukraine-Kriegs und des Irans wegen des Nahost-Konflikts zu tun.
Die neue US-Regierung unter Präsident Trump könnte jedoch vor einem Dilemma stehen.
Das Wiederaufflammen des Krieges in Syrien kam auch für viele Expert:innen überraschend. Während die Welt vor allem auf die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten schaute, entbrannten die seit Jahren weitgehend stillgelegten Auseinandersetzungen in Syrien aufs Neue. Mitte vergangener Woche hatte eine Allianz von Aufständischen unter der Führung der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) eine Offensive im Nordwesten Syriens begonnen und inzwischen sogar die Kontrolle über Aleppo übernommen, die zweitgrößte Stadt des Landes.
Und die Rebellen rücken weiter gegen die Truppen von Syriens Machthaber Baschar al-Assad vor. Nach jüngsten Angaben von Aktivist:innen wurde die Großstadt Hama in Westsyrien umzingelt. Mehrere angrenzende Dörfer sollen bereits unter der Kontrolle der Dschihadisten sein. Gleichzeitig begann die Assad-Armee eine Gegenoffensive, offenbar auch mit russischer Luftunterstützung, die die Rebellen zunächst vor Hama zurückgedrängt haben soll.
Schutzmächte Assads sind geschwächt
Der Angriff der Islamisten und anderer Gruppierungen hängt unmittelbar mit den Kriegen in der Ukraine und Nahost zusammen. Russland und der Iran sind Schutzmächte von Assad. Erst durch ihre militärische Hilfe konnte das Assad-Regime in dem seit 2011 andauernden Bürgerkrieg die Kontrolle über den größten Teil des Landes und alle größeren Städte zurückgewinnen. Seit 2020 waren die Fronten weitgehend eingefroren.
Doch Russland muss inzwischen alle Kräfte im Angriffskrieg gegen die Ukraine bündeln, braucht sogar selbst Hilfe durch nordkoreanische Einheiten. Der Iran und die von ihm abhängige Hisbollah-Miliz sind wegen der Auseinandersetzung mit Israel unter Druck und geschwächt.
Im Video: Trump erteilt Ukraine erste Absage
Neben der Türkei, die einen Teil der Rebellengruppen unterstützt, sind auch die USA einer der Player in der Pulverfass-Region - allerdings seit Längerem ein zurückhaltender. Zunächst hatte Washington vergeblich versucht, den Bürgerkrieg in dem strategisch bedeutenden Land zu beenden. Durch das brutale Eingreifen des Militärs von Russlands Machthaber Wladimir Putin im Jahr 2015 und der so erreichten Stabilisierung des Assad-Regimes, hielten sich die USA weitgehend zurück.
"Die Biden-Regierung hat Syrien nicht nur auf die lange Bank geschoben. Sie hat sich gar nicht mehr damit befasst", zitiert "n-tv" den Syrien-Experten Andrew Tabler, der während der ersten Amtszeit von Donald Trump als Regierungsberater tätig war. Er fügt hinzu: "Wenn man sich mit den Dingen nicht beschäftigt, heißt das nicht, dass sie nicht überkochen können." Mit Blick auf die neue US-Regierung unter Präsident Trump sagte Tabler: "Ich denke, dass eine neue Regierung, die Syrien und ähnlichen Konflikten mehr Aufmerksamkeit schenkt, besser in der Lage sein wird, diese zu gestalten."
"Karate-Schlag gegen den Iran"
Laut dem Syrien-Experten von der Universität Oklahoma, Joshua Landis, hat das vorrangige US-Interesse in der Region bislang darin bestanden, "Israel zu unterstützen und Iran und Russland zu schaden". Der Vormarsch der Rebellen habe nun das Potenzial, "die Sicherheitsarchitektur im Nahen Osten auf dramatische Weise zu verändern", zitiert "n-tv" Landis. Ein Sieg der sunnitischen HTS-Islamisten würde ihm zufolge den sogenannten schiitischen Halbmond durchbrechen. Durch ihn hatte der Iran seinen Einfluss nach Westen bis in den Libanon ausgedehnt. "Dies wäre ein großer Segen für Israel und ein Karate-Schlag gegen den Iran."
Allerdings ist Haiat Tahrir al-Scham alles andere als pro-westlich orientiert. Im Gegenteil. Sie würden sich gegen die USA stellen und die Trump-Regierung sowie auch Israel vor ein riesiges Problem stellen, so Landis. "Es ist ein Dilemma für die USA und Israel. Wollen sie eine islamistische Regierung in Syrien oder ziehen sie es vor, dass das Land geteilt und schwach bleibt?"
- Verwendete Quellen:
- "n-tv": "Heikle Lage in Syrien: Wie reagiert Donald Trump?"
- Nachrichtenagentur Reuters
- Nachrichtenagentur dpa