Gehirn
Jamais-vu: Das steckt hinter dem Gegenteil von Déjà-vu
- Veröffentlicht: 17.05.2024
- 11:00 Uhr
- Sven Hasselberg
Ein Déjà-vu kennt jede:r. Man sieht eine Situation und hat das Gefühl, sie schon mal erlebt zu haben - obwohl dem gar nicht so ist. Das Gegenteil davon ist das Jamais-vu. Dabei erscheint Bekanntes plötzlich unbekannt. Was es damit auf sich hat.
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Jamais-vu: Das Wichtigste in Kürze
Ein Jamais-vu ist das Gegenteil vom Déjà-vu. Beim Déjà-vu glaubst du, du hast eine Situation schon einmal erlebt oder gesehen.
Beim Jamais-vu erscheinen dir bekannte Situationen, Personen oder Wörter als völlig neu und fremd. Sie ergeben keinen Sinn mehr.
Beides tritt plötzlich und zufällig auf. Es scheint aber so, als ob Menschen, die öfter Déjà-vus haben, auch öfter Jamais-vus erleben.
Die Phänomene sind wenig erforscht und es gibt verschiedene Theorien, wie es zu ihnen kommt. Willst Du wissen, was im Gehirn passieren könnte? Lies weiter.
Was sind Déjà-vu und Jamais-vu?
Beim Déjà-vu und beim Jamais-vu spielt uns das Gehirn wohl einen Streich. Es handelt sich um Täuschungen des Erinnerungsvermögens. Die Namen stammen aus dem Französischen. Déjà-vu heißt so viel wie "schon einmal gesehen", und Jamais-vu heißt "noch nie gesehen".
Beide Phänomene rufen eine Irritation hervor. Du fühlst dich merkwürdig oder gar schlecht, es fühlt sich irgendwie falsch an. Du weißt zwar danach nicht, in welchem Zusammenhang die scheinbar schon erlebte oder scheinbar noch nie erlebte Situation gestanden haben soll, kannst das Ganze aber als Täuschung einordnen. Bei gesunden Menschen scheinen die Phänomene aber häufiger vorzukommen, wenn sie müde, erschöpft, gestresst und ängstlich sind oder zu wenig geschlafen haben.
Menschen, die unter Drogen stehen, dehydriert sind, hohes Fieber haben, unter Vergiftung leiden oder unter Hirnerkrankungen wie Epilepsie leiden, haben häufiger Deja-vus oder Jamais-vus. Sie sind dann nicht mehr als zufälliges Phänomen einzuordnen. Beim Jamais-vu gehen Forscher:innen davon aus, dass es bei erkrankten Menschen mit einer Schädigung im Temporal-Lappen zu tun hat.
Im Video: Wann ist ein Déjà-vu ganz normal und wann nicht?
Wieso kommt es zu Jamais-vu?
Beim Jamais-vu, der noch weniger erforscht ist als der Deja-vu, handelt es sich einer Theorie zufolge um eine Art Realitycheck. Sobald sich das Hirn und somit die Aufmerksamkeit in Routinen und Widerholungsschleifen befinde, muss der Mensch herausgerissen werden, um die Wahrnehmung zu überprüfen. Der Jamais-vu könnte also als Weckruf dienen, wenn etwas zu häufig und zu automatisch eintritt und somit auch die Wachsamkeit beeinflusst. Das seltsame Gefühl bewirke also, dass die Aufmerksamkeit wieder neu gebündelt wird, die Übersättigung hinterfragt werde.
Wie kommt es zu einem Déjà-vu?
Eine Theorie besagt, dass der Mensch die Situation zwar ähnlich kenne, das Hirn bei der Verarbeitung der Information allerdings eine 1:1-Wiederkennung spiegele, in dem es das gleiche Signal wie bei einer echten Wiedererkennung sende. Es läge eine falsche Verknüpfung mit den Erinnerungen vor.
Einer anderen Theorie zufolge sei der Déjà-vu gar keine richtige Täuschung, sondern eher eine Art Überprüfung der Erinnerungen. Das Hirn gleicht echte Erinnerungen mit falschen ab und signalisiert deshalb ein merkwürdiges, irritierendes Gefühl, da es sich ja um eine falsche Erinnerung handele.
Es wäre auch möglich, dass das Déjà-vu auf unbewussten Wahrnehmungen basiert, die das Gehirn nur am Rande wahrgenommen habe und dann nach eigenen Vorstellungen und Erinnerungen vervollständige. Tritt ein Déjà-vu dann ein, würden diese unbewussten Wahrnehmungen erst bewusst. Geht ein Mensch zum Beispiel auf ein neues Auto zu und sieht aus der Ferne schon unbewusst durch die Scheiben, setze sich das Gehirn die Ausstattung des Wagens zusammen. Steigt der Mensch dann ein, habe er laut dieser Theorie das Gefühl, hier schon einmal gesessen zu haben.
Wie wird der Jamais-vu erforscht?
Das Team von Akira O’Connor und Christopher Moulin der britischen Universitäten Leeds und St. Andrews hat in verschiedenen Studien versucht, Jamais-vus bewusst zu provozieren. So mussten Probant:innen zum Beispiel ein bekanntes Wort immer und immer wieder aufschreiben, bis es für sie keinen Sinn mehr ergab oder sie es als komisch oder fremd empfanden. Bis zu 70 Prozent der Teilnehmer:innen hatten dabei ein Jamais-vu-Erlebsnis. Das war im Schnitt nach 33-mal der Fall.
Jeder kennt dieses Phänomen, der ein alltägliches Wort schon mehrmals immer wieder vor sich hergesagt hat. Auch dann hat man irgendwann das Gefühl, dieses Wort klingt merkwürdig und macht eigentlich gar keinen Sinn. Das spricht für die Theorie, ein Jamai-vu könnte als Realitätscheck dienen und helfen, dass Menschen bei Übersättigung und Überladung sich ständig wiederholende Situationen hinterfragen. Sie würden so aus ihrer Wahrnehmung ausbrechen.
Warum kann Jamais-vu bei Zwangsstörungen helfen?
Aufgrund der aktuellen Forschungen und der Theorie, dass ein Jamais-vu als Realitätscheck dient, könnte er zumindest dabei helfen, Zwangsstörungen besser zu verstehen. Kennst du die Situation, dass du ewig auf den Herd starrst, um zu schauen, ob die Schalter wirklich auf Null stehen und er auch aus ist?
Menschen mit Zwangsstörung schauen aber ewig auf den Herd, und wenn die Null keinen Sinn mehr macht, starren sie noch weiter. Wird der Jamais-vu nun zukünftig besser erforscht, könnte das nicht nur helfen, Zwangsstörungen besser zu verstehen, sondern vielleicht auch Ansätze für eine neue erfolgreiche Therapie zu finden.