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Psychologie

Hypochonder: Ab wann ist die Angst vor Krankheiten bedenklich?

  • Aktualisiert: 26.07.2024
  • 14:39 Uhr
  • Claudia Frickel
Article Image Media
© Getty Images / valentinrussanov

Es kribbelt in den Beinen? Der Kopf schmerzt? Hypochonder:innen sind auch bei leichten Symptomen schnell davon überzeugt, schwer erkrankt zu sein. Aber nicht jede Furcht vor Krankheit ist gleich Hypochondrie. Wir erklären dir, was dahinter steckt.

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Das musst du über Hypochonder:innen wissen

  • Hypochonder:innen sind Menschen, die übermäßig viel Angst davor haben, dass sie schwer krank sein könnten. Sie interpretieren jedes kleine Unwohlsein als Symptom - obwohl es keinen objektiven Befund gibt. Zudem beschäftigen sie sich ständig mit möglichen Anzeichen.

  • Der Begriff Hypochondrie ist negativ besetzt. Viele bezeichnen wehleidige Menschen als Hypochonder:innen und glauben, dass sie Krankheiten simulieren. Das ist aber falsch.

  • Eine klinische Hypochondrie ist eine anerkannte, medizinische Störung. Wer darunter leidet, ist nicht überempfindlich, sondern psychisch erkrankt. Die andauernde Furcht schränkt das Leben stark ein.

  • 0,4 Prozent der Bevölkerung in Deutschland leidet unter dieser Störung, heißt es in einer Studie der British Psychological Society. Andere Expert:innen gehen von einem Prozent aus. Weitere 13 Prozent haben Angst vor Krankheiten, auch wenn die Diagnose nicht zutrifft, so eine US-Metastudie. Alle Geschlechter sind gleichermaßen betroffen.

  • Es gibt verschiedene Ursachen von Hypochondrie. Mithilfe von Therapie können die Ängste häufig überwunden werden.

Hypochondrie-Definition: Was genau ist die Störung?

  • Gerade hast du im Internet von einer Krankheit und deren Symptomen gelesen - schon überlegst du, ob du Anzeichen bei dir erkennen kannst. Bist du jetzt ein:e Hypochonder:in? Meist verschwindet die Furcht, wenn es keinen objektiven Befund gibt. So etwas kennen wir alle.
  • Aber wenn die Ängste extrem sind, nicht nachlassen und den Alltag einschränken, kann es sein, dass du unter einer hypochondrischen Störung leidest.
  • Laut internationalem Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen, ICD-10, beschäftigen sich Betroffene beharrlich mit der Möglichkeit, an einer oder mehreren Krankheiten zu leiden.
  • Hypochonder:innen haben unter anderem Angst, dass sie Krebs haben, einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt bekommen. Sie überlegen beispielsweise, ob Kopfschmerzen und Migräne auf einen Hirntumor oder Husten auf Asthma hinweisen.
  • Hypochondrie zählt aktuell zu den somatoformen Störungen. Gemeint ist: Für die Beschwerden gibt es keine organische Ursache. In Zukunft wird die Krankheit zu Zwangsstörungen gerechnet, weil Betroffene sich zwanghaft mit Körper und Symptomen beschäftigen.
  • Die Ängste können dazu führen, dass Hypochonder:innen eine Depression entwickeln und sich immer mehr zurückziehen - auch, weil sie sich von ihrer Umwelt nicht ernst genommen fühlen.

Im Video: Wie unser Gehirn funktioniert und welcher Teil was steuert

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Woher kommt die Bezeichnung Hypochondrie?

  • Der Begriff "Hypochondrie" stammt aus dem Griechischen und bedeutet "unter den Rippenknorpeln".
  • Die alten Griech:innen glaubten, dass sogenannte Gemütskrankheiten unter diesen Knorpeln entstehen.
  • Die Milz galt als Ursache für die Beschwerden. Darum wurde Hypochondrie früher auch als Milzsucht bezeichnet.

Das sind die Symptome von Hypochonder:innen

😵‍💫 Hypochonder:innen sorgen sich andauernd um die eigene Gesundheit und vor schweren Krankheiten. Die Gedanken kreisen permanent darum.

🤒 Betroffene beobachten ständig und misstrauisch alle körperlichen Funktionen, so wie Puls, Blutdruck, Nachtschweiß oder Stuhlgang. Sie achten extrem auf jedes Ziehen, Zwicken oder Pochen und suchen nach Anomalien. Manche messen ständig Blutdruck oder Fieber.

🆘 Unklare Symptome und winzige Veränderungen deuten sie als Anzeichen für Krankheiten. Der Gedanke daran löst Stress aus, was wiederum verschiedene körperliche Reaktionen auslösen kann - etwa schneller Herzschlag oder Schwindel. Das steigert die Angst.

🩺 Diese quälende Furcht hält meist monatelang an und führt oft zu vielen Arztbesuchen. Auch wenn die Untersuchung das Gegenteil zeigt, glauben Hypochonder:innen felsenfest, dass sie schwer krank sind. Es kann auch sein, dass sie kurz erleichtert sind, aber das hält nicht lange an.

👩🏻‍⚕️👨🏽‍⚕️ Häufig gehen Betroffene zu verschiedenen Ärztinnen und Ärzten, weil sie den Entwarnungen nicht trauen. Andere vermeiden Arztbesuche ganz, weil sie die Diagnose fürchten - sie sind ja sicher, dass sie krank sind.

💻 Viele lesen alles, was sie zur vermeintlichen Krankheit und den Anzeichen finden können. Falsche oder falsch interpretierte Informationen treiben die Angstspirale weiter an. Für die exzessive Google-Suche nach Krankheiten gibt es sogar ein Wort: Cyberchondrie. Der Begriff setzt sich aus "cyber" und " Hypochondrie" zusammen.

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Welche Ursachen hat eine hypochondrische Störung?

  • Es gibt verschiedene Ursachen für Hypochondrie. Oft tritt die Störung schon in jungen Jahren auf.
  • In der Kindheit und Jugend von Betroffenen passierten oft emotional extrem belastende Dinge. Vielleicht war jemand in der Familie sehr krank oder ist gestorben.
  • Eine Erziehung, in der Angst eine zentrale Rolle spielt, kann ebenfalls später zur Hypochondrie führen. Eltern dramatisieren dann zum Beispiel harmlose Funktionen des Körpers und stecken Kinder mit der Angst an.
  • Ausgelöst wird die exzessive Angst vor Krankheit im Erwachsenenalter häufig durch stark belastende Ereignisse wie massiven Stress, Todesfälle oder schwere gesundheitliche Beschwerden.
  • Stärker betroffen sind Menschen, die ängstlicher sind oder Unsicherheit schwer aushalten.

Hypochondrie behandeln und bekämpfen: Das kannst du tun

📆 Je früher sich Hypochonder:innen in Behandlung begeben, desto besser. Denn über 70 Prozent von ihnen kann dauerhaft geholfen werden.

🙍 Viele warten aber lange, bevor sie sich in Therapie begeben. Sie sind ja überzeugt davon, tatsächlich körperlich krank zu sein.

🤔 Sehr wirksam ist eine kognitive Verhaltenstherapie. Die Betroffenen lernen mithilfe von Psycholog:innen, körperliche Beschwerden anders zu bewerten und nicht sofort an eine Krankheit zu denken.

💡 Patient:innen sollen erkennen, dass gelegentliche Schmerzen oder unklare Symptome ganz normal sind. Dann überlegen sie sich mit den Therapeut:innen wahrscheinliche Erklärungen, zum Beispiel: Habe ich vielleicht Kopfschmerzen, weil ich zu wenig getrunken habe oder zu lange am PC saß?

🧘 Eine Selbstheilung bei Hypochondrie gelingt selten, weil nur Expert:innen helfen können, zwanghafte Gedanken zurechtzurücken. Zusätzlich ist es gut, Stress zu vermeiden und für Entspannung zu sorgen, zum Beispiel mit Yoga, Autogenem Training, Atemtechniken oder Progressiver Muskelentspannung.

💊 Nur in schweren Fällen bekommen Hypochonder:innen Psychopharmaka.

Im Video: Eine Psychotherapeutin beantwortet die häufigsten Fragen zu ihrem Beruf

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Wie gehe ich mit Hypochonder:innen am besten um?

🤗 Du hast einen Bruder, eine Freundin oder eine:n Partner:in, die panische Angst vor Krankheiten haben? Wahrscheinlich bist du oft genervt, aber du solltest die Sorgen nicht abtun. Wenn du der Person helfen möchtest, zeigst du Mitgefühl und unterstützt sie.

😨 Nimm Betroffene und ihre Furcht ernst: Es handelt sich nicht um eine eingebildete Krankheit. Hypochonder:innen leiden wirklich unter der Störung und ihre Ängste sind echt.

🗨 Ermutige die betroffenen Person, sich professionelle Hilfe bei Psychotherapeut:innen zu suchen. Sei aber einfühlsam und sage nicht so etwas wie: "Das bildest du dir alles nur ein."

🛑 Versichere der anderen Person, dass du für sie da bist. Das heißt aber nicht, dass du dir immer wieder Details über die vermeintliche Krankheit anhören musst. Du kannst ruhig sagen, dass du keine Ärztin und kein Arzt bist.

Häufige Fragen zu Hypochonder:innen

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