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Entbehrungen für Sportkarriere

Vom Kinderzimmer aufs Olympia-Treppchen - Kinder im Spitzensport

  • Veröffentlicht: 24.07.2024
  • 16:32 Uhr
  • Lara Teichmanis
Turnerinnen trainieren in der Hilliard Gymnastics Foundation in New York.
Turnerinnen trainieren in der Hilliard Gymnastics Foundation in New York.© REUTERS

Trainingslager statt Sommerferien - das heißt es für viele junge Athlet:innen, die für den großen Traum Olympia trainieren. Eine Kindheit zwischen Ehrgeiz, Entbehrung und Erfolg.

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Inhalt

  • Kritik am System schon seit den 80ern
  • Altersbeschränkungen bei Olympia

Knallharte Trainingspläne, wenig Freizeit, immenser Druck und Abhängigkeiten von Trainer:innen und Verband. Wer früh in den Leistungsport einsteigt, zahlt einen hohen Preis für die Chance auf eine Medaille. Spitzensportler:innen wie der französische Fußballer Thierry Henry, US-Schwimmstar Michael Phelps und Top-Turnerin Simone Biles äußerten öffentlich Kritik an Trainer:innen, Betreuer:innen und dem System "Spitzensport".  

Im Video: Deutsche Turnerin stirbt mit nur 16 Jahren

"Ich wurde auf Erfolg getrimmt, ich hatte nie ein normales Leben", sagte Thierry Henry in der Arte-Dokumentation "Kinder im Spitzensport". Der ehemalige Fußballer erzählt darin von einer verlorenen Kindheit, hohem Leistungsdruck und einem System, das n nur den Erfolg der Sportler:innen im Blick habe.

Ähnliche Kritik kommt von US-Turnerin Simone Biles. Sie machte 2016 die Missbrauchsvorwürfe gegen den früheren amerikanischen Turnteamarzt Larry Nassar öffentlich. "Ich möchte nicht, dass ein weiterer junger Turner, olympischer Athlet oder irgendjemand sonst den Horror erleben muss, den ich und Hunderte andere zuvor erlebt haben", erklärte sie bei einer Anhörung vor dem FBI. Biles bemängelte vor allem die Strukturen des US-Turnverbandes und des US-Olympia-Komitees, die die Missbrauchsvorwürfe und Gerüchte jahrelang nicht ernst genommen hätten.

Ich möchte nicht, dass ein weiterer junger Turner, olympischer Athlet oder irgendjemand sonst den Horror erleben muss, den ich und Hunderte andere zuvor erlebt haben.

Simone Biles, US-Turnerin

Hunderte Turnerinnen schlossen sich Biles Klage an, darunter Aly Raisman, McKayla Maroney oder Gabby Douglas. Nassar wurde mittlerweile zu Haftstrafen von bis zu 175 Jahren verurteilt.

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Kritik am System schon seit den 80ern

Es sind die Statements und Vorwürfe etlicher Sportikonen, die eine alte Debatte wieder anheizen. Denn: Während bei Sportgroßereignissen Milliarden Zuschauer:innen die Leistung junger Talente feiern, werden in den Jahren des Trainings und der Vorbereitung die Rechte von Hunderttausenden Kindern missachtet.

Bereits in den 80er-Jahren äußerten Ärzt:innen, Psycholog:innen und Soziolog:innen Bedenken über den Umgang mit Minderjährigen im Spitzensport. Der damalige Vorwurf: psychische und physische Gewalt, Missbrauch und ein Konstrukt aus Druck und Macht. Ein System, das sich bis heute kaum verändert hat. Weiterhin berichten Sportler:innen, dass der Traum von Olympia nach wie vor viele Entbehrungen verlangt.

Eine Gruppe junger Turner während einer Trainingseinheit in der Turnhalle einer Sportschule in Jiaxing, Provinz Zhejiang (China).
Eine Gruppe junger Turner während einer Trainingseinheit in der Turnhalle einer Sportschule in Jiaxing, Provinz Zhejiang (China).© REUTERS

Überlange Trainingszeiten, Sportcamps weit weg von Familie und Freunden, ein knallharter interner Wettstreit um die Nominierung für den Kader, strikte Ernährungspläne und Gehorsamkeit gegenüber dem Trainerstab. Die Liste der Konsequenzen ist lang: schwerwiegende Folgen wie Ermüdungsbrüche, Burnout, Depressionen, Magersucht, Wachstumsstörungen, Ausbleiben der Regelblutung, Entfremdung von der Familie, soziale Isolation oder Schulabbruch. Das alles für die Chance auf Gold?

Altersbeschränkungen bei Olympia

Trotz internationaler Konventionen, die die Arbeitsbedingungen von Minderjährigen regeln, gibt es bisher keine spezifischen Regelungen für Kinder im Leistungssport. Angesichts der Missstände werden Forderungen laut, die Anwendung der UN-Kinderrechtskonvention auf den Spitzensport zu übertragen. Auch ein Sonderstatus für minderjährige Athlet:innen, um ihre Rechte zu schützen, steht als Vorschlag im Raum.

Eine weitere Möglichkeit, Kinder und Jugendliche vor Ausbeutung im Spitzensport zu schützen, wären, ähnlich wie im Arbeitsrecht, Altersbeschränkungen. Je nach Sportart ist daher neben einer Topleistung auch ein Mindestalter für die Teilnahme an Olympia erforderlich.

So schreibt der internationale Turnerverband beispielsweise vor, dass Athlet:innen im Jahr des Wettkampfes 16 Jahre alt werden müssen. Auch im Boxring gilt ein Mindestalter. Kämpfer:innen dürfen erst ab 18 Jahren und bis maximal 39 Jahren in den Ring steigen. 

Im Video: Eskaliert der Olympia-Streit - USA für Rückkehr russischer Sportler

Ganz anders sind die Regeln auf dem Fußballplatz. Bei den Herrenmannschaften ist der Wettbewerb vor allem für jüngere Spieler unter 23 ausgerichtet. Daher darf jede Mannschaft maximal drei Spieler mit höherem Alter in der Startelf einsetzen. 

Trotz Altersbeschränkungen in einzelnen Disziplinen, der Großteil der Sportarten gibt keine Regel vor. 

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:newstime

Ein Beispiel für Erfolg in sehr jungen Jahren ist die britische Eiskunstläuferin Cecilia Colledge. Sie trat am 10. Februar 1932 bei den Olympischen Spielen in Lake Placid mit gerade mal elf Jahren an. Damit ist sie die jüngste Person, die je bei Olympia an den Start gegangen ist - bis jetzt: Bei den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris tritt als jüngste Teilnehmerin die elfjährige Zheng Haohao auf dem Skateboard an. Die Chinesin skatet bereits seit ihrem siebten Lebensjahr.

Auch bei den letzten Olympischen Spielen in Tokio sorgte ein junges Talent für Schlagzeilen. Die 12-jährige Athletin Hiraki Kokona aus Japan gewann eine Silbermedaille im Park-Skateboarden der Damen. Damit wurde Kokona zur jüngsten Medaillengewinnerin jemals.

Die Weltöffentlichkeit feiert die Erfolge dieser jungen Athlet:innen und zeichnet sie für ihr besonders Talent aus. Den Preis für diese Ehrung zahlen die minderjährigen Sportler:innen jedoch meist im Verborgenen.

  • Verwendete Quellen:
  • BBC: "Larry Nassar: US justice department to pay abuse survivors $138m"
  • Spiegel: "Ein schrecklicher Ort"
  • Olympics: "Olympische Spiele Paris 2024: Wie qualifizieren sich die Athleten?"
  • Sport1: "OLYMPISCHE REKORDE: OLYMPIASIEGER UND HÖCHSTLEISTUNGEN"
  • Puls 24: "Jüngste Olympia-Starterin ist erst 11 Jahre alt"
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