Mark Rutte im Interview
NATO-Generalsekretär: Selenskyj-Kritik an Scholz ungerechtfertigt
- Veröffentlicht: 23.12.2024
- 09:17 Uhr
- Claudia Scheele
In einem Interview kritisiert NATO-Generalsekretär Mark Rutte Wolodymyr Selenskyjs Kritik an Olaf Scholz als unfair. Zugleich betont er, dass er nicht alle Entscheidungen des Kanzlers für gut hält.
Das Wichtigste in Kürze
Der neue NATO-Generalsekretär Mark Rutte nimmt Olaf Scholz in Schutz und übt gleichzeitig auch Kritik an seinem Umgang mit der Lieferung der Taurus-Marschflugkörper.
Er betont Deutschlands Rolle bei der militärischen Unterstützung der Ukraine.
Gleichzeitig sieht er derzeit noch keine Gefahr eines russischen Angriffs auf das Bündnisgebiet, was jedoch nicht bedeutet, dass er unbesorgt in die Zukunft blickt.
NATO-Generalsekretär Mark Rutte übt in einem Interview mit der Deutsche Presse-Agentur Kritik am ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Vor allem dessen teils sehr scharfe Kritik an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält er für ungerechtfertigt. "Ich habe Selenskyj oft gesagt, dass er aufhören soll, Olaf Scholz zu kritisieren, denn ich halte das für unfair", sagte Rutte.
"Was Olaf Scholz getan hat, ist beeindruckend. Scholz hat mit dafür gesorgt, dass Deutschland nach den USA an zweiter Stelle bei der militärischen Unterstützung der Ukraine steht, mit 28 Milliarden Euro, in manchen Berechnungen sogar 34 Milliarden. Das ist eine gewaltige Summe, weit vor vielen anderen Ländern, einschließlich großer Volkswirtschaften Europas", sagte er. Dies sei ein Verdienst, für den auch die Ukraine Scholz dankbar sein könne.
Rutte möchte sich nicht in den deutschen Wahlkampf einmischen
Zugleich machte Rutte deutlich, dass er der Ukraine im Gegensatz zu Scholz auch Taurus-Marschflugkörper liefern würde und auch keine Einschränkungen bei der Nutzung machen würde. "Ganz allgemein wissen wir, dass solche Fähigkeiten für die Ukraine sehr wichtig sind", sagte der frühere niederländische Ministerpräsident. Es sei aber nicht an ihm zu entscheiden, was Alliierte liefern sollten.
Im Video: Nach Raketenangriff - Selenskyj fordert Aktionen gegen Putin
Selenskyj hatte Scholz zuletzt unter anderem dafür kritisiert, gegen seinen Willen mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefoniert zu haben. Immer wieder äußerte er auch öffentlich Unverständnis für das Nein des Kanzlers zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern.
Rutte betonte im Interview, dass er sich nicht in den laufenden deutschen Wahlkampf einmischen wolle. "Ich ergreife keine Partei, da ich sowohl mit Olaf Scholz als auch mit Friedrich Merz (CDU) arbeiten kann", sagte der frühere niederländische Regierungschef. Wichtig sei, dass Deutschland wisse, dass bei der Ukraine-Politik die eigenen Werte und die kollektive Sicherheit auf dem Spiel stünden. "Falls die Ukraine verlieren würde, müssten wir viel, viel mehr für Verteidigung ausgeben, um der russischen Bedrohung etwas entgegenzusetzen", ergänzte er.
Russischer Angriff im Moment unwahrscheinlich
Der neue NATO-Generalsekretär sieht derzeit nicht die Gefahr eines russischen Angriffs auf das Bündnisgebiet, blickt aber zugleich sorgenvoll in die Zukunft. "Wenn wir unsere Verteidigungsausgaben nicht erhöhen, werden wir in vier bis fünf Jahren ein ernsthaftes Problem haben", sagte er in dem Interview. "Derzeit müssen wir keine Angst haben. Aber langfristig mache ich mir Sorgen."
Hintergrund der Einschätzung Ruttes ist der massive Ausbau der Rüstungsproduktion Russlands wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine. Dem setzen die NATO-Staaten seiner Meinung noch nicht genug entgegen. "Wir müssen die Verteidigungsindustrie stärken und die Produktion ausweiten. Es müssen zusätzliche Produktionslinien und Schichten eingerichtet werden, da wir nicht genug Militärgüter produzieren, um uns langfristig zu schützen", erklärte der 57-Jährige. "Noch haben wir Zeit, uns vorzubereiten und unsere Abschreckung zu stärken, um einen Krieg auf NATO-Territorium zu verhindern. Aber wir müssen jetzt handeln."
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa