Insolvente Kaufhaus-Kette
Wie sicher ist die Zukunft der 76 Galeria Karstadt Kaufhof-Filialen?
- Aktualisiert: 02.05.2024
- 10:00 Uhr
- Michael Reimers
Das Risiko einer erneuten Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof ist nach Ansicht des aktuellen Insolvenzverwalters gering. Expert:innen zufolge sind jedoch hohe Investitionen nötig, um die Arbeitsplätze langfristig zu sichern.
Das Wichtigste in Kürze
Nach dem Insolvenzplan vom 29. April wird Galeria Karstadt Kaufhof ab September mit 76 Filialen weitergeführt.
Bis Ende Juli soll der Kaufhauskonzern an die neuen Eigner übergeben werden.
Damit die rund 11.400 Arbeitsplätze langfristig gesichert werden können, sind Expert:innen zufolge hohe Investitionen nötig.
Stimmen die Gläubiger:innen der insolventen Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof dem am 29. April vorgelegten Insolvenzplan zu, gehen bis Ende Juli 76 der 92 Filialen an die neuen Eigner NRDC und BB Kapital SA über. 16 Filialen sollen dem Plan von Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus zufolge geschlossen werden, was für etwa 1.400 Beschäftigte die Arbeitslosigkeit bedeuten würde.
Während sich die Unternehmensleitung und die neuen Eigentümer naturgemäß optimistisch geben, was die Zukunft der verbleibenden Filialen des krisengeschüttelten Warenhauskonzerns betrifft, der bereits das dritte Insolvenzverfahren innerhalb von dreieinhalb Jahren beantragen musste, äußern Handelsexpert:innen ihre Zweifel. Damit die verbleibenden Standorte langfristig überlebensfähig sind und die rund verbleibenden 11.400 Arbeitsplätze langfristig gesichert werden, sind nach Ansicht von Branchenkenner:innen hohe Investitionen nötig, meldete "tagesschau.de" am 30. April.
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Filialschließungen von Galeria Karstadt Kaufhof: Schule sieht Chance für Projekt
Insolvenzverwalter sieht Galeria-Zukunft optimistisch
"Die wirtschaftlichen Perspektiven von Galeria sind gut. Ich habe da keine Zweifel", erklärte Insolvenzverwalter Denkhaus am Montag. Das Risiko einer erneuten Insolvenz in naher Zukunft sei gering und bewege sich "im Rahmen des allgemeinen wirtschaftlichen Risikos". Wie die neuen Eigner die verbleibenden Häuser konkret wieder nach vorn bringen wollen, müssen sie dem Bericht zufolge voraussichtlich bis Ende Mai noch erklären.
"Wir erwarten, dass die neuen Eigentümer in das Unternehmen investieren und gemeinsam mit den Beschäftigten ein tragfähiges Zukunftskonzept entwickeln", erklärt Marcel Schäuble, ver.di-Verhandlungsführer bei Galeria. "Zum Beispiel sind die aus dem letzten Insolvenzplan von René Benko zugesicherten 200 Millionen durch die Insolvenz der Signa ausgeblieben. Sie sind für die Neuausrichtung von Galeria zusammen mit Investitionen in Kassensysteme und IT eingeplant gewesen und bleiben das auch für eine abgesicherte Zukunft."
Handelswirtschaft zweifelt an Warenhauskonzept
Skeptisch äußern sich insbesondere Expert:innen der Handelswirtschaft. So vertritt etwa Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein seit Jahren den Standpunkt, dass das klassische Warenhauskonzept keine wirtschaftliche Zukunft mehr habe. "Der Kunde findet anscheinend das Warenhaus nicht mehr attraktiv", so Heinemann. Carsten Kortum von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn sieht eine Zukunft für Galeria nur, wenn das Geschäftsmodell deutlich innovativer und digitaler ausgerichtet werde. "Stationärer Handel und Onlinehandel bei Galeria dürfen nicht weiter parallel betrieben werden", sagte der Handelsexperte.
Was die verbliebenen Standorte betreffe, zeigten Kortum zufolge einzelne "Leuchtturm-Filialen" vor der Insolvenz, wie Frequenz und Umsätze gesteigert werden können. An diesen Standorten hätten sich eine regionale Ausrichtung und "attraktive Sortimente als Kernleistung des Handels" bewährt.
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Ignoranz gegenüber Vorschlägen der Belegschaft
"Bei der Ausrichtung der Sortimente müssen die Beschäftigten einbezogen werden", fordert Ver.di-Verhandlungsführer Schäuble. "Sie haben in der Vergangenheit viele Hinweise gegeben, die unbeachtet blieben." Das Know-how der Belegschaft sei ein großes Potenzial. Sortimente wie zum Beispiel Stoffe seien in vielen Filialen trotz großer Nachfrage stark verkleinert oder ganz aus dem Programm genommen worden. Auch Hinweise der Beschäftigten auf kommende Trends seien oft ungehört geblieben. "Hier wird Umsatz liegengelassen", so Schäuble. "Solche Fehlentscheidungen müssen künftig vermieden werden."
Bisher sind nach Kortum zufolge nur zehn der verbleibenden Standorte auf modernisierte Konzepte umgestellt worden. Bei den übrigen Häusern gebe es hingegen einen Investitionsstau: "Die Wende kann nur geschafft werden mit Investitionen in die 66 noch nicht auf aktuelle Konzepte umgebauten Filialen und ein langfristig ausgerichtetes Engagement, sicherlich aber nicht mit kurzfristigem Renditedenken."
Kurzfristiges Rendite-Denken schadet Galeria
Damit spielt der Wirtschaftsexperte auf die Praxis der bisherigen Investoren an, Filialen teilweise zu überhöhten Konditionen an Eigentümer zu vermieten, die zum Mutterkonzern gehörten. Damit seien dem Geschäftsmodell Finanzmittel entzogen worden, so Kortum. Hohe Mieten hatten bei der Entscheidung, welche Filiale überlebensfähig sind, eine große Rolle gespielt.
Die für den Umbau benötigten Mittel beziffert der Handelsexperte auf "einen hohen dreistelligen Millionenbetrag bis hin zur Milliardenhöhe". Da sich Fremdkapitalgeber:innen nach der dritten Insolvenz zurückhalten werden, müssten die neuen Eigentümer entsprechende Eigenmittel mitbringen.
Nach den bisherigen Erfahrungen blieben die meisten Beobachter:innen in diesem Punkt jedoch skeptisch. "Nach einem Befreiungsschlag sieht es nicht aus, eher nach einer Fortführung bisheriger Konzepte", sagte Kortum. "Die Kunden werden kurz- und mittelfristig wenig Veränderungen in den Handelsleistungen sehen und damit auch nicht mehr Auswahl, Service oder Erlebnis."
Giffey: Noch Hoffnung für Berliner Standort Spandau
Über eines der drei zur Schließung vorgesehenen Warenhäuser von Galeria Karstadt Kaufhof in Berlin wird derweil noch weiter verhandelt. Beim Standort Spandau werde in Gesprächen noch einmal ausgelotet, welche Möglichkeiten es gebe, sagte Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) am Dienstag (30. April). Dies sei jedoch "alles noch sehr, sehr unbestimmt". Die Entscheidung für die Schließung sei "schon als sehr fest formuliert worden". In Berlin stehen neben Spandau auch die Häuser im Ringcenter und in Tempelhof auf der Schließungsliste. Betroffen sind nach Giffeys Worten insgesamt 182 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Während signalisiert worden sei, dass an den Standorten Ringcenter und Tempelhof selbst dann keine Entwicklung möglich sei, wenn die Miete extrem reduziert würde, werde über den Standort Spandau mit dem Vermieter noch einmal gesprochen. Ziel des Senats sei in jedem Fall, so Giffey, für die Standorte eine Perspektive zu entwickeln und längeren Leerstand zu vermeiden.
- Verwendete Quellen:
- tagesschau.de: "Was geschieht jetzt mit den Galeria-Filialen?"
- Nachrichtenagentur dpa