Eingriff in Grundrechte?
Wie bei "CSI": Bayerns Polizei bekommt neue Ermittlungs-Software
- Aktualisiert: 18.07.2024
- 15:02 Uhr
- Kira Born
Mit dem digitalen Recherchewerkzeug VeRA erhält die bayrische Polizei wie in der Krimiserie "CSI" eine Datenschnittstelle, mit der Millionen Vorgänge schnell ausgewertet werden können. Datenschützer:innen schlagen Alarm.
Das Wichtigste in Kürze
Der bayrische Langtag beschließt Änderungen im Polizeiaufgabengesetz, die die Befugnisse und Möglichkeiten der Behörden ausweiten.
Auch die von Datenschützer:innen kritisierte neue Verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform VeRA soll ab August zum Einsatz kommen.
Die oppositionelle SPD erwägt gegen die Nutzung von VeRA Klage einzureichen.
Die bayerische Polizei bekommt neue Werkzeuge für den Kampf gegen Kriminelle. Mit den Stimmen von CSU, Freien Wählern und der AfD stimmte der Landtag kurz vor der Sommerpause für mehrere Änderungen des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) – diese beinhalten umstrittenen Erweiterungen der Befugnisse der Behörden. Allen voran: die neue Verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform (VeRA).
VeRA soll es ermöglichen, Daten aus allen Töpfen der bayrischen Polizei zusammenzuführen und auswerten zu können. Was vormals tagelange Auswertung bedurfte, soll nun die Ermittlungsarbeit der Polizei deutlich beschleunigen. Täglich könnten Millionen Menschen im Freistaat auf kriminelle Aktivitäten überprüft werden – unabhängig davon, ob sie tatsächlich straffällig geworden sind, wie Kritiker:innen bemängeln.
Mit unserer Rechtsgrundlage für VeRA schließen wir zu Hessen und Nordrhein-Westfalen auf, wo eine vergleichbare Software unter Regierungsbeteiligung von SPD und Grünen bereits seit mehreren Jahren erfolgreich eingesetzt wird.
Bayerns Innenminister, Joachim Herrmann
Zugriff auf Daten aus verschiedenen Quellen für bayrische Polizei
Theoretisch haben Ermittler:innen aktuell schon Zugriff auf mehr als 30 Millionen Vorgänge. Doch diese sind in verschiedene Formaten und System, die nicht miteinander harmonisiert sind. Damit stehen Ermittlungen häufig vor einem unüberschaubaren Informationsnetz, welches die polizeiliche Arbeit verlangsamt.
VeRA soll hier Abhilfe schaffen. Ab August soll die Polizei künftig mit dem neuen Tool arbeiten, welches auf alle Informationsressourcen der bayrischen Polizei Zugriff haben soll. System und Datenformate sollen gesammelt in einer Plattform zusammen geführt werden. Ziel soll es sein, Verbindungen zu erkennen und Informationen zur selben Person aus den verschiedenen Quellen zusammenzuführen. "Damit sollen Gefährder und Banden schneller ermittelt, kriminelle Netzwerke leichter entdeckt, mögliche Opfer besser geschützt und Straftaten möglichst im Vorhinein verhindert werden", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in einer Pressemitteilung zu der Gesetzesänderung am Mittwoch (17. Juli).
Das Programm hat nur Zugriff auf Daten, die die bayerische Polizei ohnehin schon gesammelt hat. Es soll auch nur in bestimmten Fällen zum Einsatz kommen. Laut Landeskriminalamt geht es um Fälle von schwerer und schwerster Kriminalität und nur um Szenarien, in denen die Polizei mögliche weitere Straftaten verhindern kann.
Wie der Algorithmus der Software funktioniert, ist unklar und Betriebsgeheimnis des nicht unumstrittenen Software-Herstellers Palantir. Ziel ist es, dass Beamt:innen "jederzeit und überall Zugriff auf die Informationen haben, die sie für ihre tägliche Arbeit benötigen", wie es auf der Website des Softwarebetreibers heißt.
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Neue Polizei-Software VeRA ist umstritten
Bayerns Innenminister Herrmann sieht in den Änderungen des Polizeiaufgabengesetzes eine große Chance für die Ermittlungstätigkeiten der Dienststellen: "Mit 'VeRA' werden wir die Möglichkeiten der Kriminalpolizei zur effektiven Gefahrenabwehr und Verhütung von Straftaten weiter stärken", hieß es in der Mitteilung.
Umstritten ist das Programm auch, weil der Hersteller, das US-Unternehmen Palantir, als Start-up Geld vom US-Geheimdienst CIA erhielt und diesen zu seinen Kunden zählt. Datenschützer:innen äußerten deshalb die Sorge, dass Polizei-Daten in die USA abfließen könnten. Das Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie prüfte im Auftrag vom LKA daraufhin den Quellcode der Software – fand aber keine Hinweise auf versteckte Hintertüren.
Zum anderen stoßen sich Datenschützer:innen an dem Zugriff der Software auf Polizei-Daten, die ursprünglich zu völlig unterschiedlichen Zwecken gesammelt wurden. Bayerns oberster Datenschützer Thomas Petri sah deshalb das sogenannte Zweckbindungsgebot in Gefahr. Berichten zufolge soll die Benutzeroberfläche des neuen Programms der Software aus der US-Krimiserie "CSI" ähneln.
Kritik von SPD und Grünen zum neuen Polizei-Recherche-Programm
Im Landtag des Freistaats stimmten Grüne und SPD gegen die Änderungen des Polizeiaufgabengesetzes – dies beinhaltet auch den Einsatz von VeRA. Die SPD-Fraktion kündigte bereits an, eine Klage vor dem Verfassungsgerichtshof zu prüfen, wie die Deutsche Presse-Agentur meldete.
SPD-Rechtsexperte Horst Arnold äußerte Kritik am Verfahren der Software: "Sind Sie nur zwei- oder dreimal am falschen Platz, kann es sein, dass Sie bei dieser Recherche einen auffälligen Treffer haben", wie er "BR24" sagte. Er sprach sich dafür aus, nur Teile der zur Verfügung stehenden Daten für die VeRA-Recherche zu erlauben, da selbst Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Anwält:innen und Ärzt:innen betroffen wären. "VeRA greift tief in den persönlichen Kernbereich der Lebensführung der Menschen ein."
Ebenso kritisierte er, dass es eine bundesweite Lösung brauche und keinen bayrischen Alleingang, Schließlich hätten einige Bundesländer schon betont, "dass sie sich der bayrischen Lösung nicht anschließen werden".
Herrmann hält die Bedenken von SPD und Grüne hingegen für unbegründet, da man mit der Gesetzesänderungen nur zu anderen Bundesländern aufschließe: "Mit unserer Rechtsgrundlage für VeRA schließen wir zu Hessen und Nordrhein-Westfalen auf, wo eine vergleichbare Software unter Regierungsbeteiligung von SPD und Grünen bereits seit mehreren Jahren erfolgreich eingesetzt wird", sagte Herrmann.
Polizei in Bayern für Erweiterung der Videoüberwachung
Ein weiterer zentraler Punkt der erweiterten Möglichkeiten der Polizei-Behörde: Die Beamt:innen dürfen künftig in bestimmten Fällen grundsätzlich die Herausgabe der Aufnahmen von Überwachungskameras im Freistaat verlangen. Die Betreiber:innen der Kameras sind dann verpflichtet, das Material den Ermittler:innen zur Verfügung zu stellen.
Nach Ansicht des Landesdatenschutzbeauftragten dürften Tausende Kameras im Freistaat allein im öffentlichen Nahverkehr von dieser neuen Möglichkeit betroffen sein.
- Verwendete Quellen:
- Bayrische Staatsregierung: "Herrmann: Landtag beschließt Änderungen im Polizeiaufgabengesetz"
- Nachrichtenagentur dpa