Bezahlkarte für Asylbewerber:innen
Riss in der Brandmauer: Dresdner CDU stimmt AfD-Antrag zu
- Veröffentlicht: 22.03.2024
- 14:10 Uhr
- Lucia Hundbiß
Mit Stimmen aus der CDU-Fraktion hat der Dresdner Stadtrat die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete beschlossen - und damit einen AfD-Vorstoß unterstützt. Die CDU räumt ein Versäumnis ein.
Das Wichtigste in Kürze
Der Dresdner Stadtrat hat einem Antrag der AfD zur Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber:innen zugestimmt.
Auch die Fraktionen von FDP und Freien Wählern unterstützten den Antrag.
Die Partei erntet hierfür Kritik, da CDU-Chef Friedrich Merz im vergangenen Jahr beteuert hatte, dass es auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit mit der AfD geben werde.
Deutlicher Riss in der viel beschworenen Brandmauer: Der Dresdner Stadtrat hat einem AfD-Antrag zur Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber:innen zugestimmt - auch mit Stimmen der CDU-Fraktion. Das geht aus einer Aufzeichnung der Stadtratssitzung von Donnerstagabend (21. März) hervor. Dabei fiel die Entscheidung mit 33 zu 32 Stimmen knapp aus. Auch die Fraktionen von FDP und Freien Wählern unterstützten den Antrag. Vor der Abstimmung hatte Thomas Lehmann von der CDU-Fraktion dargestellt, dass seine Fraktion den Antrag auch deshalb unterstütze, weil er befürchte, dass die Einführung einer geplanten bundesweiten Bezahlkarte sich noch lange hinziehen könne.
CDU-Fraktionschefin Heike Ahnert stellte am Freitag (22. März) auf Anfrage noch einmal die Genese des Falles dar. "Die CDU-Fraktion hat versucht, ihren eigenen Antrag vom November letzten Jahres gestern zur Abstimmung zu bringen. Dafür hat es im Stadtrat keine Mehrheit gegeben", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. So sei nur die Aktuelle Stunden mit dem Antrag der AfD geblieben, zu dem sich die CDU-Fraktion verhalten musste. "Ja, es wäre besser gewesen, wir hätten unseren Antrag im Stadtrat beraten können, anstatt dem AfD-Antrag zuzustimmen. Es wäre besser gewesen, hätte es einen eigenen Antrag dazu aus der Mitte des Stadtrates gegeben. Das muss der gemeinsame Anspruch der Fraktionen der Mitte für die Zukunft sein. Und so werden wir es auch handhaben", sagte Ahnert.
Scharfe Kritik von Merz
Im vergangenen Jahr hatte CDU-Chef Friedrich Merz nach einer Debatte über die "Brandmauer" zur AfD in der Kommunalpolitik klargestellt: "Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben."
Merz äußerte sich zum Abstimmungsverhalten des Dresdner Stadtrats und kritisierte dieses scharf. "Die Entscheidung ist in der Sache richtig, im Verfahren inakzeptabel", sagte Merz am Freitag in Berlin. "Das war ein Fehler. Und wir werden über alles Weitere mit den Betroffenen sprechen." Die CDU habe immer gesagt, dass sie AfD-Anträgen, egal in welchen Parlamenten, nicht zustimmen werde.
Der Antrag der AfD-Fraktion sieht vor, dass in einem Modellversuch eine Bezahlkarte die bisherigen Bargeld-Zahlungen für Asylbewerber:innen ablöst. Mit der Karte sollen dann nur Zahlungen innerhalb Deutschlands möglich sein, zudem soll es weitere Einschränkungen bei der Nutzung geben. Der sächsische Verfassungsschutz stuft den Landesverband der AfD als "gesichert rechtsextremistisch" ein.
Seitens der Bundesregierung liegt zwar ein Kabinettsbeschluss zur Bezahlkarte für Geflüchtete vor, allerdings ist unklar, wann die bundesweite Regelung im Bundestag beschlossen wird. In manchen Bundesländern sind einzelne Kommunen schon vorgeprescht und haben eigene Bezahlkarten eingeführt.
Linke-Fraktionschef macht CDU Vorwürfe
Ahnert erinnerte daran, dass es zur Einführung der Bezahlkarte einstimmige Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenzen mit der Bundesregierung gibt. "Was aufgeschrieben und beschlossen wurde, ist nichts anderes als diese parteiübergreifende Vereinbarung. Städte und Landkreise sind die unmittelbar Verantwortlichen für die Umsetzung dieses Projekts. Deshalb ist es auch richtig, dass ein Stadtrat über dieses wichtige Thema berät."
Linke-Fraktionschef André Schollbach zeigt sich ungehalten und warf der CDU vor, nun "alle Hemmungen fallen zu lassen": "Damit ist klar: Die bisherigen Beteuerungen, sich klar von der rechtsextremen AfD abzugrenzen, waren nichts anderes als Lippenbekenntnisse. Wer in Sachsen CDU wählt, muss damit rechnen, dass seine Stimme letztlich der Mehrheitsbeschaffung für AfD-Politik dient."
Doch der Beschluss in Dresden ist kein Einzelfall. Einer Studie zufolge gibt es auf kommunaler Ebene Dutzende Beispiele der Zusammenarbeit etablierter Parteien mit der AfD. Die Untersuchung der linken Rosa-Luxemburg-Stiftung nennt mehr als 100 konkrete Fälle in den Jahren 2019 bis 2023 - von der gemeinsamen Abstimmung im Stadtrat bis zur Fraktionsgemeinschaft. Am häufigsten habe die CDU mit der AfD kooperiert, doch auch alle übrigen im Bundestag vertretenen Parteien hätten dies getan, berichteten die Autor:innen. Das Argument für die Kooperation: Auf kommunaler Ebene gehe es um praktische Lösungen und nicht um Parteipolitik. Doch diese Argumentation ermögliche der AfD den Autor:innen zufolge ein Experimentierfeld und trage zur Normalisierung ihrer Ziele bei.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa