Doch keine "ukrainische Spur"
Putin macht "radikale Islamisten" für Terroranschlag bei Moskau verantwortlich
- Aktualisiert: 26.03.2024
- 10:11 Uhr
- Lena Glöckner
Kremlchef Putin geht nun davon aus, dass radikale Islamisten den Terroranschlag bei Moskau ausführten. Zunächst hatte er eine "ukrainische Spur" hinter der Bluttat vermutet. Ein wenig schielt er aber noch in Richtung Ukraine.
Das Wichtigste in Kürze
Der Terroranschlag bei Moskau ist nach den Worten von Kremlchef Wladimir Putin von Islamisten begangen worden.
Damit wich Putin von seiner ursprünglichen Linie ab, in der er eine "ukrainische Spur" hinter der Bluttat vermutet hatte.
Dennoch sollte geklärt werden, warum die Terroristen nach der Bluttat in die Ukraine entkommen wollten.
Der Terroranschlag bei Moskau ist nach den Worten von Kremlchef Wladimir Putin von Islamisten begangen worden. "Wir wissen, dass das Verbrechen von radikalen Islamisten begangen wurde, deren Ideologie die islamische Welt selbst seit Jahrhunderten bekämpft", sagte Putin am Montagabend (25. März) bei einer Veranstaltung zur Aufarbeitung des Anschlags vom Freitag (22. März), bei dem nach neuem Stand 139 Menschen ums Leben kamen.
"Wir wissen nun, wessen Hände dieses Verbrechen gegen Russland und sein Volk verübten, jetzt wollen wir wissen, wer der Auftraggeber ist." Bei dem Anschlag hatten vier Männer auf die Besucher:innen der Crocus City Hall geschossen und das Gebäude mit Benzin in Brand gesetzt.
Damit wich Putin von seiner ursprünglichen Linie ab, in der er eine "ukrainische Spur" hinter der Bluttat vermutet hatte. Dennoch sollte geklärt werden, warum die Terroristen nach der Bluttat in die Ukraine entkommen wollten. "Und wer sie dort erwartet hatte", fügte er hinzu.
Weißes Haus: "Propaganda des Kremls"
Das Weiße Haus wies Aussagen der russischen Führung zu angeblichen Verwicklungen der Ukraine in den tödlichen Terroranschlag als "Propaganda des Kremls" zurück. Putin und seine Kumpane im Kreml versuchten, einen Weg zu finden, der Ukraine die Schuld zuzuschieben, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Montag in Washington. "Es gibt aber keine Verbindung zur Ukraine."
Jetzt müssten mehrere Fragen geklärt werden, machte Putin deutlich. "Wie kommen radikale Islamisten, die sich als gläubige Muslime ausgeben und sich zum sogenannten reinen Islam bekennen, dazu, während des heiligen Monats Ramadan, der allen Muslimen heilig ist, schwere Gräueltaten und Verbrechen zu begehen?", wurde Putin bei dem Treffen mit Vertreter:innen verschiedener Behörden zitiert. Es bleibe auch abzuwarten, "ob radikale und terroristische islamische Organisationen wirklich daran interessiert sind, Russland anzugreifen, das heute für eine gerechte Lösung des eskalierenden Nahostkonflikts steht".
Bereits mehrfach für sich reklamiert hat den Anschlag die Terrormiliz Islamischer Staat. Westliche Sicherheitsbehörden und Expert:innen halten das Bekenntnis für glaubhaft und vermuten den IS-Ableger Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) hinter dem Anschlag. Die russische Propaganda versuchte zunächst, einen angeblichen Zusammenhang zur Ukraine herzustellen, gegen die Putin seit mehr als zwei Jahren einen brutalen Angriffskrieg führt. Beweise für diese Behauptung gibt es aber keine. Die ukrainische Führung hat die Vorwürfe zudem strikt zurückgewiesen.
Zahl der Toten steigt auf 139
Unterdessen stieg die Zahl der Toten des Anschlags auf 139. Von den über 180 Verletzten seien mehr als 50 bereits in häusliche Pflege entlassen worden, teilte Vize-Regierungschefin Tatjana Golikowa mit. 93 Menschen, unter ihnen fünf Kinder, würden noch stationär behandelt. Bis Montagabend seien 75 Tote identifiziert worden. Die Patient:innen sind über Kliniken der Hauptstadt und des Moskauer Gebiets verteilt, ihre Verletzungen sind unterschiedlich schwer.
Die Aufräumarbeiten in der zerstörten Halle sowie die Suche nach möglichen weiteren Opfern unter den Trümmern sollten bis Dienstag (26. März) abgeschlossen werden, sagte der Gouverneur der Region Moskau, Andrej Worobjow. An einem improvisierten Gedenkort am Zaun des Geländes Crocus City legten trauernde Menschen weiterhin Blumen nieder.
Die russischen Sicherheitskräfte hatten nach dem Anschlag elf Verdächtige in der Region Brjansk südlich von Moskau festgenommen. Sieben der Männer, unter ihnen die vier mutmaßlichen Todesschützen, wurden inzwischen von Basmanny-Bezirksgericht in Moskau in Untersuchungshaft genommen.
Verletzungen deuten auf Folter hin
Die vier mutmaßlichen Haupttäter waren schon am Sonntagabend (21. März) vor dem Haftrichter erschienen. Dabei waren an ihren Körpern Verletzungen zu erkennen, die auf Folter durch russische Sicherheitskräfte hindeuten. Sie wiesen stark geschwollene Gesichter, Platzwunden und Blutergüsse auf. Einer hatte einen großen Verband am Ohr. Ein anderer konnte nicht mehr selbst laufen und verlor Berichten zufolge zwischenzeitlich das Bewusstsein. Er wurde auf einer Krankenliege in den Gerichtssaal gefahren, wo die Haftbefehle erlassen wurden. Zuvor waren in sozialen Netzwerken Videos aufgetaucht, die zeigen sollen, dass die mutmaßlichen Attentäter gefoltert wurden und einem von ihnen gar ein Ohr abgeschnitten wurde.
Der UN-Sicherheitsrat gedachte am Montag mit einer Schweigeminute der Opfer und sprach Russland sein Beileid aus. Der amtierende Präsident des Gremiums, der japanische UN-Botschafter Yamazaki Kazuyuki, forderte alle Anwesenden auf, "zum Gedenken an die Opfer des schändlichen und feigen Terroranschlags" für eine Schweigeminute aufzustehen.
- Verwendete Quellen.
- Nachrichtenagentur dpa