CDU-Vorsitzender im :newstime-Spezial
Merz isoliert Günther nach Kritik an Thüringen-Beschluss: "Einzelmeinung in der CDU"
- Aktualisiert: 18.09.2023
- 08:00 Uhr
- Lena Glöckner
Reißt die CDU die "Brandmauer nach rechts" ein? Welche Migrationspolitik braucht Deutschland? Diesen und weiteren Fragen zu brandaktuellen Themen hat sich CDU-Chef Merz im ":newstime Spezial"-Interview gestellt.
Nach dem heiklen Thüringer Steuerbeschluss, den die CDU mithilfe des Votums der AfD durchsetzen konnte, wird der Union vorgeworfen, Absprachen mit der AfD getroffen zu haben. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz wies das im :newstime-Spezial entschieden zurück. Im Gespräch mit dem Leiter des Hauptstadtbüros, Heiko Paluschka, und Chefreporterin Charlotte Potts sagte er, es habe "keine Gespräche, keine Verhandlungen, keine Absprachen gegeben".
Es sei kein gemeinsamer Antrag gewesen. "Es war ein Antrag der CDU-Fraktion, und der hat eine Mehrheit bekommen." Die Partei richte sich nicht danach, wer zustimmt, betonte Merz, "sondern wir richten uns danach, was wir in der Sache für richtig halten". Ihn interessiere wenig, was die AfD dazu sagt, so der CDU-Chef. "Wir haben etwas vorgetragen, was wir in der Sache für richtig halten und das hat eine Mehrheit bekommen. [...] Die FDP hat auch zugestimmt übrigens, die wird überhaupt nicht kritisiert. Die ganze Kritik richtet sich gegen uns." Viele Menschen hätten ihm im Übrigen in den letzten Tagen gesagt, dass die CDU genau richtig gehandelt habe. Die von der CDU gesetzten Themen würden dadurch nicht schlechter, dass die falschen Leute zustimmen, zitierte Merz die Bürger:innen.
Merz: "Lassen uns von anderen Fraktionen, egal wie sie heißen, davon nicht abbringen"
Merz sagte auch, dass die Partei weiterhin ihre eigenen Vorschläge mache, "und wir lassen uns von anderen Fraktionen, egal wie sie heißen, davon nicht abbringen". "Stellen Sie sich mal vor, wir würden das in die Hand einer solchen Partei geben. Wir wären doch politikunfähig. Wir könnten uns nur noch danach ausrichten, was andere möglicherweise dazu sagen."
Kritik an dem Vorgehen der Partei in Thüringen kam auch aus den eigenen Reihen - Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte, er halte das "für eine schwerwiegende Fehlentscheidung, die da getroffen worden ist". Darauf angesprochen entgegnete Merz bei :newstime, dies sei eine "Einzelmeinung in der CDU". "Es gibt niemanden sonst, der das teilt, oder auch öffentlich vorgetragen hat, so wie er es gemacht hat. Wir haben unseren Standpunkt intern sehr abgestimmt, auch mit allen Landesverbänden der CDU. Das ist die Meinung der CDU."
"Wenn das so weitergeht, fliegt uns hier einiges um die Ohren"
Nach der Massenankunft von Flüchtlingen auf Lampedusa ringen die Parteien weiter um die richtige Migrationspolitik. CDU-Chef Merz sprach sich gegenüber :newstime erneut für "bessere" Kontrollen an den europäischen Binnengrenzen aus. "Mir tut das in der Seele weh, dass wir heute wieder Kontrollen möglich machen müssen. Aber diese Kontrollen müssen sein, jedenfalls, solange die europäischen Außengrenzen nicht hinreichend geschützt werden, müssen wir die europäischen Binnengrenzen vor illegaler Migration besser schützen."
Zudem sprach Merz sich für die von Söder eingebrachte Obergrenze von 200.000 aus. "Ja, die Zahl 200.000 hat ja vor einigen Jahren schon einmal eine Rolle gespielt. Das war Konsens, auch in der Koalition mit der SPD." Jetzt lägen wir deutlich darüber und das überfordere die Hilfsbereitschaft dieses Landes, der Menschen in Deutschland. "Und deswegen ist die Koalition gut beraten, jetzt wirklich anzupacken." Der Vorschlag, hier eine Grenze einzuziehen, sei richtig. "Wir können das nicht so weiter machen, wie es gegenwärtig läuft. Und das sind nicht meine Worte. Aber wenn das so weitergeht, fliegt uns hier in diesem Land einiges um die Ohren."
"Deutschland ist der Geisterfahrer in der Energiepolitik"
Zudem warb Merz im Gespräch erneut dafür, die Kernkraftwerke in Deutschland wieder ans Netz nehmen. "Deutschland ist der Geisterfahrer in der Energiepolitik", so der CDU-Chef. Auf der ganzen Welt würden aktuell 400 laufende Atomkraftwerke bestehen, 50 neue seien im Bau. Eine Wiederaufnahme des Betriebs in Deutschland könne man "innerhalb von wenigen Monaten auf den Weg bringen".
Obendrein kritisierte er, die Regierung würde in der Sozialpolitik Angebote schaffen, die in die falsche Richtung gingen. "Zum Beispiel das ganze Thema Frühverrentung. Die Menschen gehen ja nicht aus Jux und Tollerei in die Frührente, sondern sie können sich das einfach ausrechnen." Es müssten ganz im Gegenteil Anreize geschaffen werden, länger zu arbeiten, "Anreize schaffen, vielleicht auch mal Überstunden zu machen".
Union und die K-Frage - Merz glaubt Söder
Im Hinblick auf die Frage um die Kanzlerkandidatur für die Bundestagswahl 2025 sagte Merz, dass dies keine Frage sei, mit der er sich schon intensiv beschäftige. "Diese Frage steht heute nicht an, wir müssen als Partei und ich als Vorsitzender der Partei und der Bundestagsfraktion daran arbeiten, dass wir als ernsthafte Alternative zur Bundesregierung wahrgenommen werden." Dass CSU-Chef Markus Söder kürzlich sagte, er habe "null Interesse" an der Kanzlerkandidatur, nehme er ernst, so Merz. "Ich glaube, dass Markus Söder aus 2021 die Konsequenz zieht. Er hat das einmal angeboten, er macht das kein zweites Mal. Ich glaube ihm das, anders als viele öffentliche Kommentatoren."
Das gesamte :newstime SPEZIAL können Sie am Sonntag, 17. September, um 19:45 Uhr in Sat.1 und auf ProSieben und anschließend bei Joyn sehen.