Angst und Sippenhaft
Knebelverträge: Wie China seine Studierenden in Deutschland kontrolliert
- Aktualisiert: 08.03.2023
- 19:16 Uhr
- Stefan Kendzia
Selbst an deutschen Universitäten sind chinesische Student:innen nicht vor dem Zugriff ihres heimatlichen Regimes geschützt. Jeder Schritt ist unter strengster Beobachtung.
Das Wichtigste in Kürze
Chinesische Student:innen müssen vor einem Auslandsstudium Knebelverträge unterschrieben.
Bei Vertragsverletzung drohen neben Geldstrafen auch rechtliche Konsequenzen.
Studium in Deutschland durch Angst vor Repressionen und Sippenhaft bestimmt.
Staatstreue. Gehorsam. Das gilt für chinesische Student:innen auch dann, wenn sie in Deutschland studieren. Nach Recherchen von "Correctiv" und "Deutsche Welle" müssen vor einem Auslandsstudium Knebelverträge unterschrieben werden, die zu einem stets loyalen Verhalten mit China verpflichten. Hält man sich nicht daran, drohen empfindliche Strafen.
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Ohne Knebelvertrag kein Stipendium
Um als Stipendiat:in aus China in Deutschland studieren zu dürfen, gehört ein ordentliches Paket an Voraussetzungen. Zuerst muss es sich um Top-Studierende handeln. Erst wenn man beste Noten und einwandfreies Verhalten vorweisen kann, hat man die Chance, als Stipendiat:in des China Scholarship Council (CSC) nach Deutschland kommen zu können. Allerdings gehören dazu vorab unterschriebene Knebelverträge des CSC. Darin sollen Studierende bezeugen, sich nicht an Aktivitäten zu beteiligen, "die den Interessen des Mutterlandes schaden". Was auch immer damit gemeint sein soll.
Ein permanenter Kontakt zur chinesischen Botschaft ist dabei unabdingbare Pflicht wie die Treue China gegenüber, die Unterstützung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) und die Einwilligung wieder nach China zurückzukehren. Andernfalls drohen neben Geldstrafen auch rechtliche Konsequenzen.
Einschüchterung als Druckmittel
Aus Angst vor Repressionen vermeiden es Studierende, ihre Meinung frei zu äußern oder gegen die Vereinbarungen zu verstoßen. Denn im Ernstfall beträfe es nicht nur die Studierenden selbst, sondern auch ihre Bürgen, die sie vor Ausreise angeben müssen als auch ihre Familien zuhause.
Auf Anfrage an die FU Berlin und die LMU München seien beiden Universitäten keine derartigen Verträge bekannt - auch keine Vereinbarungen zwischen den Universitäten und China selbst. Auch von Einschüchterungsfällen habe es keine Kenntnis gegeben.
Mareike Ohlberg, China-Expertin und Fellow im Asien-Programm des German Marshall Fund interpretiert einen CSC-Vertrag von 2021, der "Correctiv" und "Deutsche Welle" vorliegt. Er zeige deutlich en "Kontrollwahn" des chinesischen Staates. "Auch im Ausland sind Chinesen nicht frei, sondern sollen weiterhin unter Beobachtung der Partei stehen“, urteilt sie. Der Vertrag hat das Ziel, Stipendiat:innen einzuschüchtern. Das schlimmste aller Vergehen sei es den Interessen Chinas zu schaden. "Das steht noch vor der Beteiligung an Verbrechen, also praktisch auch noch vor Mord. Da setzt China ganz klar seine Prioritäten", so Ohlberg.
Spielraum für Studierende? Kaum, sagt Ohlberg. "Wenn man so etwas unterschrieben hat, kann man eigentlich nur extrem vorsichtig sein. Denn es besteht ein sehr hohes finanzielles und persönliches Risiko bei Vertragsbruch für einen selbst und die bürgende Person."
Akademische Freiheit - aber nicht für alle
Für Kai Gehring (Grüne), Vorsitzender des Forschungsausschusses ist "diese Praxis mit der in unserem Grundgesetz verankerten Wissenschaftsfreiheit unvereinbar. Die Verankerung von Staatspropaganda und Kontrolle führt den Sinn von internationalem akademischen Austausch ad absurdum“, sagt Gehring.
Insgesamt zeichnet die Recherche ein trauriges Bild: Die viel gepriesene deutsche akademische Freiheit ist ein hohes Gut - die allerdings nicht für jeden gleichermaßen gilt. Besonders dann nicht, wenn man aus China kommt und damit aus einem System mit einem funktionierenden Überwachungsapparat.
- Verwendete Quellen:
- Deutsche Welle: "Wie China seine Top-Studenten in Deutschland kontrolliert"