Schrumpft der Osten?
"Immer falsch": Politiker kritisieren Studien-Ergebnisse zu Bevölkerungsschwund für 2040
- Veröffentlicht: 01.05.2024
- 10:01 Uhr
- Kira Born
Der Osten schrumpft - aber die düsteren Prognosen seien bis jetzt "immer falsch gewesen", meint Ministerpräsident Reiner Haseloff. Er sieht Wege, mit Initiativen dem Rückgang der Population entgegenzuwirken.
Das Wichtigste in Kürze
Die Bertelsmann Stiftung zeigt in einer Analyse zur bundesweiten Bevölkerungsentwicklung deutliche regionale Unterschiede auf.
Besonders Landkreise in den östlichen Bundesländern werden bis 2040 einen starken Rückgang ihrer Bevölkerung verzeichnen, gab die Studie an.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff tat die Ergebnisse der Studie ab und gab an, dass in der Studie die Gegenmaßnahmen in den Regionen nicht mitbedacht würden.
Der Wohnraum erschwinglich, das Internet schnell, die Autobahn gut erreichbar und die Kinder betreut: Im Landkreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt lässt es sich gut leben. Das meint zumindest Landrat André Schröder. "Es gibt natürlich auch Probleme, aber die gibt es überall. Wir müssen uns überhaupt nicht verstecken", sagt der CDU-Politiker, selbst ein Kind der Region. Bloß nicht von anderen herunterziehen lassen, die das Gegenteil behaupten, scheint seine Devise. Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff ist der Meinung, dass, wenn sich "irgendwas bewegt" dem Rückgang der Bevölkerung entgegengewirkt werden kann.
Jüngste Zahlen der Bertelsmann Stiftung malen jedoch nirgends in Deutschland ein so düstereres Bild wie in Mansfeld-Südharz. Zwischen 2020 und 2040 soll die Bevölkerungszahl dort demnach um 21,1 Prozent schrumpfen. Gleichzeitig werde der Anteil der Älteren immer größer. Das Thema Strukturwandel ist in Mansfeld-Südharz und in anderen Regionen Ostdeutschlands immer dringlicher. Die Untersuchung der Bertelsmann Stiftung zeigen im Kontrast zum Schrumpfen ostdeutscher Regionen, dass viele westdeutsche Regionen hingegen bis 2040 wachsen werden.
Zahlen der Bertelsmann Stiftung prognostizieren Bevölkerung-Stillstand in Ostdeutschland
Die Ergebnisse der Stiftung zeigen klare regionale Unterschiede. Besonders Regionen in Bayern und Baden-Württemberg blicken für 2040 einer positiven Bevölkerungsentwicklung entgegen. Im Vergleich dazu zeigen fast alle ehemaligen DDR-Bundesländer, bis auf Brandenburg, eine besorgniserregende Entwicklung. Doch halten Landräte aus betroffen Regionen die Daten für Schwarzmalerei.
Mansfeld-Südharz Landrat Schröder trotzt den Auswertungen auch mit Kritik: "Die nach Weltuntergang klingenden Szenarien sind schon in der Vergangenheit nie eingetroffen - und werden es auch in Zukunft nicht", ist er sich sicher. Damit ist er nicht allein. "Die Studien werden ja regelmäßig erstellt und die sind immer falsch gewesen", kommentierte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) in der Talkshow von Markus Lanz (11. April). Die Zahlen zeigten, was sein werde, "ohne dass sich irgendwas bewegt".
Im Video: Bevölkerungsentwicklung Deutschland: Boom in Berlin und Leipzig
Bevölkerungsentwicklung Deutschland: Boom in Berlin und Leipzig
Ein Beispiel für Bewegung und das Anpassen an die Bedürfnisse der Bürger:innen soll in Mansfeld-Südharz der Familienbesuchsdienst sein. Frisch gebackene Eltern werden von ihm nach der Geburt kontaktiert. Das Angebot: ein Besuch von Ivonne Wehde und Daniela Kunze. Im Gepäck haben sie ein offenes Ohr und einen Ordner voll mit den Leistungen des Landkreises.
Katharina Otto wohnt mit ihrem Mann in Questenberg, einem Ortsteil der Gemeinde Südharz. Rund 130 Einwohner zählt das Dorf. Vor einigen Monaten ist Ottos Tochter Ronja hinzugekommen. In wenigen Wochen soll das Baby mit auf eine Wanderung. Wo gibt es Trageberatung? Und wer bietet eigentlich Kinderschwimmen an? Fragen, auf die Kunze und Wehde Antworten haben, wie die Deutsche Presse-Agentur Mittwoch (1. Mai) berichtete.
Sachsen wird aktiv, um Bevölkerungsrückgang entgegen zu wirken
Auch Sachsens Bevölkerung wird in den nächsten Jahren immer älter und kleiner. Minus 5,7 Prozent bis 2024, sagt die Bertelsmann Stiftung. Das sind 230.000 Menschen weniger als noch 2020. Besonders vom Bevölkerungsrückgang betroffen ist in Sachsen das Erzgebirge. Im Erzgebirgskreis mit seinen gut 327.000 Einwohnern wird ein Rückgang um fast ein Fünftel (19,1 Prozent) erwartet. Für viele Unternehmen ein echtes Problem. Schon jetzt halten etliche Hotels und Gaststätten ihren Betrieb verstärkt mit Fachkräften aus Tschechien am Laufen.
Um gegenzusteuern, wirft die Wirtschaftsförderung ihre Angel in verschiedene Richtungen aus. Besonders im Fokus steht dabei Berlin. Dabei setzt sie auf Humor, nimmt Klischees und Eigenheiten der Menschen im Erzgebirge auf die Schippe. Etwa im Videoclip "Weit weg von allem: Erzgebirge", der auf Youtube gut 377.000 Mal geklickt wurde. In der pfiffigen Kampagne #Hammerleben wird zum Beispiel mit dem Slogan "Unbezahlbar ist hier nur die Landschaft" auf niedrige Mieten und Grundstückspreise bei gleichzeitiger Nähe zur Natur verwiesen. Oder mit "Hammerjobs" die Breite der Wirtschaft von Handwerk bis Hightech angepriesen.
"Wir wollen zeigen, dass man bei uns nicht nur Urlaub machen, sondern gut leben und arbeiten kann", sagt Peggy Kreller vom Regionalmanagement-Team, wie die dpa berichtete.
Prognose 2040 zeigt Probleme des demografischen Wandels
Als eines der größten Probleme des Bevölkerungsschwund und der regionalen Unterschiede sieht die Stiftung den demografischen Wandel. 2020 betrug der Anteil der Personen im Alter ab 65 Jahren in Deutschland 22 Prozent - 28 Prozent werden es laut der Analyse der Stiftung 2040 sein. Deshalb bräuchte es nach Ralph Heck, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung: "jetzt gezielte Strategien, um eine geeignete Infrastruktur für die älteren Generationen aufzubauen und die dabei entstehenden wirtschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen", wie er in der am 9. April veröffentlichten Mitteilung der Bertelsmann Stiftung angab.
- Verwendete Quellen:
- Bertelsmann Stiftung: "Bevölkerungsentwicklung in Deutschland verläuft bis 2040 regional sehr unterschiedlich"
- Nachrichtenagentur dpa