Gemeinsame Verteidigung
"European Sky Shield": Deutschland und EU bringen Luftabwehrsystem auf den Weg
- Veröffentlicht: 13.10.2022
- 11:50 Uhr
- glö
Russlands Krieg gegen die Ukraine führt Deutschland vor Augen, wie wichtig eine effiziente Luftverteidigung im Ernstfall ist. Nun soll nachgerüstet werden - gemeinsam mit europäischen Nato-Partnern.
Das Wichtigste in Kürze:
- Deutschland und die europäischen Nato-Staaten planen ein gemeinsames Luftabwehrsystem.
- Das "European Sky Shield" soll ballistische Raketen, Drohnen und Marschflugkörper abwehren können.
- Als wahrscheinliche Option gilt dafür die Anschaffung des israelischen Systems Arrow 3.
Mit mehr als einem Dutzend anderen Staaten hat Deutschland ein Projekt zum Aufbau eines besseren europäischen Luftverteidigungssystems auf den Weg gebracht. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht unterzeichnete am Donnerstag (13. Oktober) am Rande eines Nato-Treffens in Brüssel mit Kolleg:innen eine Erklärung zu der sogenannten European Sky Shield Initiative.
Diese soll helfen, bestehende Lücken im derzeitigen Nato-Schutzschirm für Europa zu schließen. Defizite gibt dort beispielsweise im Bereich ballistischer Raketen, die auf ihrer Flugbahn große Höhen erreichen, aber auch bei der Abwehr von Drohnen und Marschflugkörpern.
Hintergrund der deutschen Initiative ist vor allem Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine. Er hat die Sicherheitslage in Europa nach Einschätzung der Nato fundamental verändert und macht deswegen zusätzliche Anstrengungen bei der Luftverteidigung notwendig. Bislang war die Raketenabwehr in Europa vor allem auf mögliche Bedrohungen aus dem Iran ausgerichtet.
Scholz sprach von "Sicherheitsgewinn für ganz Europa"
Über die European Sky Shield Initiative sollen nun unter anderem gemeinsam neue Waffensysteme eingekauft werden, die dann zusammen möglichst günstig ein großes Gebiet abdecken. "Damit kommen wir in unserer gemeinsamen Verantwortung für die Sicherheit auf unserem Kontinent einzustehen, gemeinsam nach", sagte Lambrecht zum Start des Projekts. Es gehe darum, "politische, finanzielle und auch technologische Synergieeffekte zu erzielen".
Beteiligt sind nach Angaben der SPD-Politikerin bislang neben Deutschland noch 14 andere Staaten. Zur Unterzeichnungszeremonie am Donnerstagmorgen kamen Vertreter aus Großbritannien, der Slowakei, Norwegen, Lettland, Ungarn, Bulgarien, Belgien, Tschechien, Finnland, Litauen, der Niederlande, Rumänien und Slowenien. Zudem will nach Angaben von Diplomaten auch Estland mitmachen.
Die Pläne für die neue Initiative hatte Ende August Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigt. Er sprach dabei von einem "Sicherheitsgewinn für ganz Europa" und argumentierte, eine europäische Luftverteidigung sei kostengünstiger und leistungsfähiger, als wenn jeder seine eigene, teure und komplexe Luftverteidigung aufbaue.
Deutsche Abschussanlagen reichen nicht für Schutz des gesamten Landes
Derzeit hat Deutschland für den näheren Bereich und die Bekämpfung von Flugzeugen und Hubschraubern die Luftabwehrrakete Stinger im Einsatz, die für einen Abschuss von der Schulter aus auch in die Ukraine abgegeben wurde. Auf die mittlere Distanz wirkt das größere Patriot-System. Deutschland verfügt noch über zwölf Abschussanlagen - was aber bei weitem nicht für den Schutz des gesamten Landes reicht. Bei der Abwehr ballistischer Raketen, die auf ihrer Flugbahn große Höhen erreichen, wird der Bundeswehr sogar eine "Fähigkeitslücke" bescheinigt.
Als nun wahrscheinliche Option gilt bei der Bundeswehr unter anderem die Anschaffung des israelischen Systems Arrow 3. Dieses bildet die höchste Stufe von Israels mehrstufiger Raketenabwehr und kann angreifende Waffensysteme bis über 100 Kilometer Höhe außerhalb der Atmosphäre im beginnenden Weltraum zerstören. Damit vergrößert sich auch die am Boden geschützte Fläche und Sprengköpfe werden weit vom Ziel zerstört. Zudem ist der Kauf weiterer Patriot- und Iris-T-Systeme im Gespräch.
Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa