"Letzte Diktatur Europas"
Europas letzter Diktator: Lukaschenko will bei Wahl ohne Alternative in Belarus den Sieg
- Aktualisiert: 26.01.2025
- 09:15 Uhr
- dpa
Bei den vorgezogenen Wahlen in Belarus verspricht sich Machthabe Alexander Lukaschenko vor allem eines: den Treuebeweis. Die Chancen stehen gut, denn wirkliche Alternativen zu ihm gibt es nicht.
In Belarus hat der Haupttag der von vornherein als Farce kritisierten Präsidentenwahl begonnen, mit der Machthaber Alexander Lukaschenko sich eine siebte Amtszeit sichern will. Alle Wahllokale seien geöffnet, teilte die Wahlleitung in Minsk mit. Es gilt als sicher, dass der als letzter Diktator Europas bezeichnete Lukaschenko (70) sich nach 30 Jahren an der Macht erneut zum Sieger erklären lassen wird. Die vier Mitbewerber in der Ex-Sowjetrepublik gelten als reine Statisten.
Gut vier Jahre nach den gewaltsam niedergeschlagenen Massenprotesten gegen Lukaschenkos Dauerherrschaft sind Oppositionelle entweder ins Ausland geflüchtet oder im Gefängnis. Menschenrechtler:innen kritisieren, dass mehr als 1.200 Menschen in politischer Gefangenschaft sitzen. Belarus ist auch das letzte Land in Europa, in dem noch Todesstrafen vollstreckt werden.
Wahlen als Treuebeweis in Belarus
Aufgerufen zur Abstimmung sind rund 6,9 Millionen Wahlberechtigte. Lukaschenko erwartet nach einer Säuberung des Landes von Andersdenkenden und einer Gleichschaltung der Medien nun vor allem einen Treuebeweis seines Machtapparats.
Die Wahllokale schließen um 18.00 Uhr MEZ (20.00 Uhr Ortszeit). 2020 hatte ihm die Wahlkommission 80,1 Prozent der Stimmen zugesprochen – bei 84,38 Prozent Wahlbeteiligung. Das hatte landesweit Massenproteste ausgelöst, die Lukaschenko gewaltsam niederschlagen ließ - mit Russlands Hilfe. 300.000 Menschen haben nach Schätzung der Vereinten Nationen Belarus seither verlassen.
Kaja Kallas: "Affront gegen die Demokratie"
Bereits vor dem eigentlichen Wahltag haben Behördenangaben zufolge 41,81 Prozent der Wahlberechtigten abgestimmt. Kritiker:innen sehen in der vorzeitigen Stimmabgabe ein Instrument der Behörden in Belarus dafür, Wahlbeteiligung und -ergebnis zu manipulieren.
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sprach in Brüssel von einer Scheinwahl und von einem "Affront gegen die Demokratie" in Belarus. Machthaber Alexander Lukaschenko klammere sich an die Macht, habe aber keine Legitimität, schrieb sie auf X.
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Dagegen lobte der russische Außenpolitiker Konstantin Kossatschow in Minsk die Wahl. Sie habe Bestnoten verdient, sagte der Nachrichtenagentur Tass zufolge.
Opposition fordert Nichtanerkennung der Wahl
Die Opposition im Exil zeigt sich uneins, wie sie mit der Abstimmung umgehen soll. Teile rufen zum Boykott auf, andere dazu, die Möglichkeit "gegen alle" auf dem Wahlzettel zu nutzen, was nach Meinung von Experten die Gefahr birgt, dass viele Menschen an die Urnen gehen und dem Machtapparat Bilder einer hohen Wahlbeteiligung liefern.
Das Lager um die Anführerin Swetlana Tichanowskaja, die 2020 nach Meinung vieler die Wahl gewonnen hatte, rief die internationale Gemeinschaft auf, weder die Wahl noch Lukaschenko als Präsidenten anzuerkennen. Das Land ist nicht nur wegen politischer Repressionen, sondern auch wegen der Unterstützung für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit westlichen Sanktionen belegt.
Lukaschenko hatte vor der Wahl wiederholt politische Gefangene begnadigt – mehr als 200 insgesamt. Damit verbindet er nach Meinung von Experten vor allem die Hoffnung, dass der Westen doch wieder den Dialog aufnimmt.
Experte: Wieder mehr Rückhalt für Lukaschenko
Der im Exil im Ausland lebende Politologe Waleri Karbalewitsch sieht ein Land in Angst: Lukaschenkos Apparat fürchte neue Proteste und habe deshalb schon vor der Abstimmung Vertreter in Institutionen Unterstützerunterschriften sammeln lassen. "Die ganze Staatsmaschinerie steht Kopf, obwohl es nicht die leisesten Hinweise auf Protest und auch keinen Kandidaten als Alternative gibt", sagte er. Der schon zu Sowjetzeiten wegen seiner Brutalität gefürchtete Geheimdienst KGB hält Belarus fest im Griff.
Und auch die Wähler:innen seien verängstigt, weil ihnen schon Strafverfolgung drohe, wenn sie etwa auf dem Mobiltelefon kritische Informationen lesen, sagte Karbalewitsch der Deutschen Presse-Agentur. Lukaschenko wolle sich mit der nun im Winter angesetzten Abstimmung frisch legitimieren. Eigentlich wäre der reguläre Termin im Sommer gewesen.
Lukaschenko nutze derzeit eine gewisse Konsolidierung der Gesellschaft, weil die Kritiker:innen weg seien. Zudem setze er sich vor allem mit Blick auf den Krieg in der benachbarten Ukraine als Wahrer des Friedens und der Stabilität in Szene. "Er hat auch Rückhalt von vielen, die 2020 gegen ihn waren, die aber schon damals auch prorussisch eingestellt waren und jetzt wieder auf Linie sind", erklärte Karbalewitsch. Kremlchef Wladimir Putin hatte Lukaschenko damals trotz Hoffnungen vieler Demonstrant:innen in Belarus nicht fallengelassen.
Hohe Abhängigkeit von Russland
Der Experte Karbalewitsch erwartet, dass der zuletzt auch von Gesundheitsproblemen geplagte Lukaschenko bis an sein Lebensende an der Macht bleiben will. Die Chancen stünden nicht schlecht, "weil derjenige, der mit Russland befreundet ist, Gas und Öl zu niedrigen Preisen und den atomaren Schutzschirm erhält". Inzwischen gehe es Belarus auch wirtschaftlich besser, weil die Betriebe des Landes für Russlands Kriegswirtschaft produzieren.
Der Preis für Lukaschenkos Machterhalt sei eine immer größere wirtschaftliche, finanzielle und politische Abhängigkeit von Putin. "Souveränität aber hat Belarus immer weniger", sagte Karbalewitsch. Gleichwohl sieht er wegen des starken Widerstands in Minsk keine akute Gefahr, dass Russland sich den Nachbarn einverleibt.