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Ungewisse Zukunft

"Vollzeitkinder" in China: Eltern bezahlen ihre Kinder, zu Hause zu bleiben

  • Aktualisiert: 15.09.2023
  • 13:35 Uhr
  • Stefan Kendzia
Tausende Arbeitssuchende bei einer Jobmesse in Shanghai: Im Land sollen rund 16 Millionen arbeitslose junge Menschen "Vollzeitkinder" sein und sich mangels Angebot von ihren Eltern anstellen lassen.
Tausende Arbeitssuchende bei einer Jobmesse in Shanghai: Im Land sollen rund 16 Millionen arbeitslose junge Menschen "Vollzeitkinder" sein und sich mangels Angebot von ihren Eltern anstellen lassen.© REUTERS

Chinas Volkswirtschaft erlebt derzeit massive Probleme: Immobilienkrise, Jugendarbeitslosigkeit, schwache Exporte. Allein die Arbeitslosenquote bei 16- bis 24-Jährigen soll aktuell bei dem Rekordwert von rund 21,3 Prozent liegen. Ausflucht aus diesem Dilemma bieten jungen Menschen derzeit Arbeitsverträge mit den eigenen Eltern: Sie werden zu "Berufskindern".

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Das Wichtigste in Kürze

  • Immobilienkrise, Jugendarbeitslosigkeit, schwache Exporte - Chinas Wirtschaft leidet unter massiven Problemen.

  • Derzeit soll die Arbeitslosenquote bei 16- bis 24-Jährigen auf einem Rekordwert von rund 21,3 Prozent liegen.

  • Immer mehr junge Menschen lassen sich bei ihren eigenen Eltern anstellen, um der Arbeitslosigkeit oder dem Druck als Angestellte zu entgehen.

Dass man sich um die eigenen Eltern kümmert, ist ehrenwert. Dass das allerdings ein ganz eigenes Geschäftsmodell werden könnte, damit hat die chinesische Regierung sicher nicht gerechnet. Grund für diesen neuen Trend soll die mehr als schwache Volkswirtschaft Chinas sein.

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Rund 16 Mio. arbeitslose junge Menschen in China sollen "Vollzeitkinder" sein

Über 20 Prozent Arbeitslosenquote bei jungen Menschen muss verkraftet werden - da helfen sich die Familien doch am besten selbst: Mit einer Anstellung als "Berufskind" bei den eigenen Eltern. Ein Bericht einer der bekanntesten Denkfabriken Chinas, der National School of Development der Peking-Universität, geht davon aus, dass etwa 16 Millionen arbeitslose junge Menschen in China "Vollzeitkinder" seien, so "CNN".

Zusätzlich zur Arbeitslosenquote wollen sich diejenigen, die in Lohn und Brot stehen, nicht mehr kritiklos dem immensen Druck ihrer Arbeitgeber aussetzen: "Ich will mich nicht mit Gleichaltrigen messen. Also entscheide ich mich dafür, ganz flach zu liegen", sagte Litsky Li dem Nachrichtensender. Sie habe ihren Job gekündigt und lebe jetzt bei ihren Eltern. Dort kaufe sie ein und kümmere sich um ihre demente Großmutter. Dafür erhalte sie im Monat umgerechnet 760 Euro. Und schon gehört Litsky Li nicht mehr in die Statistik zu den arbeitslosen jungen Menschen. Übrigens würde die Arbeitslosenquote sogar mehr als doppelt so hoch liegen, würde man junge Menschen mit einbeziehen, die sich von ihren Eltern anstellen lassen oder "freiwillig" nicht nach Arbeit suchen.

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Die Veröffentlichung von Daten zur Jugendarbeitslosenquote sollen eingestellt werden

Jugendarbeitslosigkeit: Auch hierfür hat die chinesische Regierung eine einfache "Lösung" parat: Das chinesische Nationalbüro für Statistik (NBS) kündigte laut "ABC News" an, die Veröffentlichung von Daten zur Jugendarbeitslosenquote einstellen zu wollen, um die Daten- und Statistiksammlung "weiter zu verbessern und zu optimieren". Dr. Xu Chenggang, leitender Forschungswissenschaftler am Stanford Center on China's Economy and Institutions und Gastwissenschaftler am Hoover Institute hat dafür nur eine Erklärung parat: Man wolle die wahren Umstände "vertuschen". Allerdings werde es ein "langfristiges Phänomen sein, dass eine große Zahl junger Menschen keine Arbeit finden wird."

Nicht nur die Probleme auf dem Arbeitsmarkt versucht Peking nach Kräften zu verschleiern. Laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) werde mit Zensur und Propaganda versucht, ein möglichst positives Bild der Wirtschaftslage zu zeichnen. "Das Zudrehen des Informationshahns wird dem gestörten Vertrauensklima kaum zuträglich sein. Transparenz ist jetzt mehr denn je notwendig", meint Jens Hildebrandt, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer (AHK) in Peking.

Phänomen der "Vollzeitkinder" wird nicht lange dauern

Ya-wen Lei, Soziologieprofessorin an der Harvard-Universität, geht allerdings davon aus, dass das Phänomen der "Vollzeitkinder" nicht lange anhalten werde. Dass Eltern ihre Kinder in China bei Dingen wie Heirat oder Wohnungssuche unterstützen, sei normal. Dass sie hingegen dauerhaft von ihren Eltern in einem Arbeitsverhältnis bezahlt werden, nicht. Erstens sei das generell eine Frage der finanziellen Möglichkeiten als auch ein Problem bei der Arbeitssuche: Je länger Kinder für ihre Eltern arbeiten, desto schlechter lassen sich diese in den "ersten Arbeitsmarkt" vermitteln.

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