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Tod nach Zahnarzt-Behandlung

Bericht deckt auf: So gefährlich können Vollnarkosen bei Kindern wirklich sein

  • Veröffentlicht: 05.11.2024
  • 17:08 Uhr
  • Benedikt Rammer
Eine Vollnarkose beim Zahnarzt kann unter Umständen tödlich enden. (Symbolbild)
Eine Vollnarkose beim Zahnarzt kann unter Umständen tödlich enden. (Symbolbild)© Rolf Vennenbernd/dpa

Eine Vollnarkose sollte nur dann angewendet werden, wenn sie absolut notwendig ist. Dennoch bieten viele Zahnarztpraxen diese Option insbesondere für Kinder an. Dies hat in der Vergangenheit bereits zu Todesfällen geführt.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Sina-Mareen und Emilia starben an den Folgen von Vollnarkosen bei zahnärztlichen Eingriffen.

  • Beide Fälle wurden durch mangelnde Hygiene und unzureichende Überwachung verschärft.

  • Sina-Mareens und Emilias sind aber offenbar keine Einzelfälle in Deutschland

Im Jahr 2002 erlebte die Familie der kleinen Sina-Mareen aus Bad Mergentheim einen unfassbaren Verlust. Wie "tagesschau.de" berichtet, sollte die Dreijährige in einer Kinderzahnarztpraxis unter Vollnarkose zwei Milchzähne gezogen bekommen. Doch was als Routineeingriff geplant war, endete tragisch. Wenige Stunden nach der Behandlung entwickelte Sina-Mareen hohes Fieber und Halluzinationen. Ihre Eltern brachten sie ins Krankenhaus, doch trotz aller Bemühungen der Ärzte verstarb sie an einem septisch-toxischen Schock, verursacht durch eine mit Bakterien kontaminierte Propofol-Flasche.

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Ein Gerichtsurteil später bestätigte, dass der Tod durch fahrlässiges Handeln des Narkosearztes hätte vermieden werden können. Die Polizei stellte zudem unhaltbare hygienische Zustände in der Praxis fest. Der Narkosearzt wurde zu zwei Jahren auf Bewährung wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Laut der ARD-Sendung "Report Mainz" dauerte es Jahre, bis ihm die Approbation entzogen wurde.

Lange Haftstrafe für Narkosearzt

Fast zwei Jahrzehnte später wiederholte sich die Geschichte auf tragische Weise mit der vierjährigen Emilia in Kronberg. Auch sie erhielt eine Vollnarkose mit dem Narkosemittel Propofol für eine Kariesbehandlung. Ähnlich wie im Fall von Sina-Mareen, wurden auch hier gravierende Hygienemängel festgestellt. Emilia erlitt eine Blutvergiftung und starb noch in der Zahnarztpraxis.

Den Recherchen von "Report Mainz" zufolge habe der erfahrene Narkosearzt W. innerhalb von 24 Stunden vier verschiedene Kinder behandelt. Von den Kindern erlitten alle eine Blutvergiftung, zwei überlebten nur knapp. Emilia konnte nicht mehr gerettet werden, denn auch als sich ihr Zustand weiter verschlechterte, entscheiden die Ärzte offenbar erst spät, den Notarzt einzuschalten.

W. musste sich dafür vor dem Landgericht Frankfurt verantworten, wo am vergangenen Freitag (1. November) das Urteil verkündet wurde: Zehneinhalb Jahre Haft wegen Totschlags, dreifachen versuchten Totschlags, Körperverletzung mit Todesfolge und dreifacher Körperverletzung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Bereits 2019 war W. für den Tod einer 40-jährigen Frau in einer Mannheimer Uniklinik verurteilt worden, nachdem eine Zahnbehandlung unter Vollnarkose vorausgegangen war. Es dauerte rund zwei Jahre, bis dieses Urteil rechtskräftig wurde, und weitere drei Monate, bis ein Berufsverbot erteilt wurde. In dieser Zeit verabreichte er Emilia und anderen Kindern das verunreinigte Narkosemittel. Die zuständige Approbationsbehörde erklärte auf Nachfrage: "Die Approbation wurde zum frühestmöglichen Zeitpunkt entzogen." Der Anästhesist wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern und lehnte ein Interview mit "Report Mainz" ab. Sein Anwalt teilte schriftlich mit, dass sie das Urteil sorgfältig prüfen würden.

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Tode nach Narkose bei Kindern keine Einzelfälle

Uwe Schulte-Sasse, medizinischer Gutachter und ehemaliger Direktor einer Klinik für Anästhesie, sieht solche Todesfälle nicht als Einzelfälle. Er beobachtet seit Jahren ähnliche Vorkommnisse: "Das sind keine exotischen Einzelfälle. Da ist ein Muster drin, was ich in meiner Tätigkeit als Sachverständiger über bald 20 Jahre wiederholt glaube zu erkennen. Das sind wiederholt Fälle, bei denen eine Substandard-Versorgung stattgefunden hat, nicht so, wie sie den Regeln der ärztlichen Kunst entspricht. Da sind die Hygienestandards nicht beachtet worden", wird der Experte auf "tageschau.de" zitiert.

Es gibt klare Leitlinien, die vorschreiben, dass Anästhesisten im Team arbeiten und Patienten im Aufwachraum überwachen sollten. Sauerstoff-Sättigung, EKG und Blutdruck müssen kontinuierlich gemessen werden, und bei Komplikationen ist schnelles Eingreifen wichtig. Laut den Gerichtsurteilen war dies bei Emilia und Sina-Mareen teilweise nicht der Fall. Emilias Narkosearzt soll laut Landgericht Frankfurt ohne Assistenz gearbeitet haben, und bei beiden sollen Propofol-Flaschen verunreinigt gewesen sein.

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Gefährliche Narkosebehandlung als Ultima Ratio

Nach Recherchen von "Report Mainz" sind in den letzten 20 Jahren mindestens zehn weitere, meist kleine Kinder nach ambulanten Anästhesien gestorben oder schwer geschädigt worden. Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) betont in einem Positionspapier von 2023, dass eine Narkosebehandlung immer nur die Ultima Ratio, d.h. der letzte Lösungsweg, sein sollte. Ambulante Narkosen sollen nur dann durchgeführt werden, wenn alle anderen Versuche, eine Kooperation herzustellen, gescheitert sind. Eine Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (DGKiZ) aus dem April 2024 ergab, dass rund 600 Kinderzahnärzte in den letzten zwölf Monaten etwa 115.000 Behandlungen in Allgemeinanästhesie durchgeführt haben, davon rund 106.000 bei Kindern unter zwölf Jahren. Wie häufig es zu Komplikationen wie Hirnschäden oder Todesfällen kommt, wird nicht erfasst.

Trotz fehlender Kontrollen und langer Verfahren bis zum Berufsverbot setzt die Bundesregierung auf ambulante Eingriffe. Der Ausbau ambulant erbringbarer medizinischer Leistungen ist im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP verankert. Auf konkrete Fragen von "Report Mainz" antwortete das Bundesgesundheitsministerium nicht direkt, sondern verwies allgemein auf "medizinische Leitlinien" und "Qualitätssicherung".

  • Verwendete Quellen:
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