Gesundheit
Medikamenten-Mangel: Das wird gegen die Arzneimittel-Knappheit unternommen
- Aktualisiert: 12.12.2023
- 08:57 Uhr
- Galileo
Zuletzt bestimmte der Medikamenten-Mangel im Winter die Schlagzeilen. Das Problem besteht allerdings weiterhin - und spitzt sich zu. Was die Gründe sind und wie die Knappheit behoben werden soll, erfährst du auf dieser Seite.
Das Wichtigste in Kürze zum Medikamenten-Mangel
Im internationalen Vergleich verfügt Deutschland grundsätzlich über eine sehr gute medizinische Versorgung.
Dennoch sind zahlreiche Arzneimittel gerade in der Erkältungszeit vielerorts nicht verfügbar, weil Apotheken nicht genügend Nachschub geliefert bekommen. Das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) definiert einen Lieferengpass, wenn ein Arzneimittel länger als zwei Wochen nicht verfügbar ist.
Bei der Versorgung mit Medikamenten bestehen schon länger tiefer gehende strukturelle Probleme. Um diese zu lösen, fordern Fachleute unter anderem eine verlässliche, eigenständige Produktion innerhalb der Europäischen Union (EU).
Der aktuell größte Mangel besteht bei Antibiotika sowie Fiebersäften für Kinder.
Medikamenten-Mangel: Diese Arzneimittel sind betroffen
Husten- und Fiebersäfte für Kinder, Schmerzmittel, Blutdruck-Senker, Antibiotika und auch Krebs-Medikamente: Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArm) sind momentan Lieferengpässe bei 514 rezeptpflichtigen Medikamenten gemeldet (Stand: 04. Dezember 2023).
Die Dunkelziffer dürfte allerdings noch höher liegen, auch in Bezug auf nicht-verschreibungspflichtige Medikamente. Das liegt auch daran, dass es oft zu Meldeverzögerungen von bis zu acht Wochen kommt. Zu diesem Zeitpunkt sind die Engpässe bereits spürbar.
Eine allgemeine Unterversorgung droht aktuell aber nicht. Im Vergleich zu den Zehntausenden von verschiedenen Arzneimitteln, die jedes Jahr von Apotheken ausgegeben werden, ist die Zahl der Arzneien mit Lieferproblemen eher klein. Ein Lieferengpass bedeutet auch nicht unbedingt gleich, dass es zu einem Versorgungsengpass kommt. Viele Präparate können durch gleichwertige ersetzt werden.
Warum die Arznei-Knappheit herrscht
💰 Ein Hauptproblem sehen Fachleute in der Vergabe von Medikamenten und der grundlegenden Festpreis-Regelung. Die Festpreis-Regelung für Kinderarzneien wurde mit dem neuen Gesetz bereits abgeschafft. Mehr dazu erfährst du unten.
🤝 Diese beinhaltet, dass es für jedes Arzneimittel einen vereinbarten Betrag gibt, der sich am günstigsten Preis orientiert und den die Krankenkasse übernimmt.
💶 Übersteigt der Verkaufspreis in der Apotheke diesen Betrag, müssen Patient:innen die Differenz selbst bezahlen - zusätzlich zur Zuzahlung von meist fünf bis zehn Euro. Gegebenenfalls können sie auf ein günstigeres, vergleichbares Medikament eines anderen Herstellers ausweichen.
🇨🇳 Die Regelung führt dazu, dass Hersteller:innen und Verkäufer:innen dort produzieren und einkaufen, wo Wirkstoffe und die Anfertigung am billigsten sind, zum Beispiel China oder Indien. Lediglich einen Teil der Medikamente produzieren Deutschland und die EU noch selbst.
🙈 Die Lieferketten verlängern sich und die Versorgung ist auf wenige Lieferanten angewiesen. Ergeben sich an einer Stelle Probleme, drohen Lieferengpässe.
Placebos statt echter Medizin? Das steckt dahinter
Placebo: Heilung durch ein Medikament ohne Wirkstoff - ist das möglich?
Wie der Medikamente-Mangel behoben werden soll
👩⚕️ Zur Bekämpfung von Engpässen bei Arzneien hat das Bundesgesundheitsministerium um Karl Lauterbach das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) erarbeitet. Das Gesetz ist am 27. Juli 2023 in Kraft getreten. Neu ist unter anderem, dass um drohende oder bestehende Lieferengpässe zu bekämpfen, auch Arzneimittel verwendet werden dürfen, die nicht auf Deutsch gekennzeichnet sind. Die erforderlichen Produktinformationen werden dir in dem Fall in geeigneter Form separat bereitgestellt. Das Gesetz wurde im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.
👉 Die Kernpunkte sind: mehr europäische Produktion von Arzneimitteln, höhere Festbeträge, mehr Vorräte sowie eine bessere Frühwarnung.
📈 Für Kinderarzneien sind die Festpreise und Rabatt-Verträge abgeschafft. Für versorgungskritische Medikamente können die Festbeträge bei Engpässen einmalig um bis zu 50 Prozent angehoben werden, falls es zu wenige Anbieter gibt.
📑 Apotheken dürfen bei Lieferschwierigkeiten einfacher auf wirkstoffgleiche Präparate ausweichen.
🇪🇺 Mittel- bis langfristig soll für mehr Eigenständigkeit und kürzere Lieferketten die Produktion von Medikamenten in Deutschland und Europa gestärkt werden.
Wann eine Entspannung der Lage in Sicht ist
Der Medikamente-Mangel ist grundsätzlich nicht neu, sondern besteht seit Jahren. Vor allem während Infektionswellen werden die anfälligen Lieferketten offensichtlich.
Betroffen sind insbesondere Generika, die wichtig für die medizinische Grundversorgung sind. Dabei handelt es sich um Nachahmungen von Medikamenten, deren Patentschutz ausgelaufen ist.
Für eine Verbesserung der Versorgung mit Arzneimitteln - von der Herstellung über den Einkauf bis zur Lieferung - sind somit systemische Veränderungen notwendig: Fachleute fordern mehr Hersteller:innen für einzelne Wirkstoffe, eine vorausschauende Vorratsbildung sowie eine geringere Profit-Orientierung.
Die Maßnahmen sind erste Schritte zu einer grundlegenden Lösung des Medikamente-Mangels sein. Es wird jedoch eine längere Zeit in Anspruch nehmen, bis diese wirken. Lieferengpässe von Arzneien werden somit in der nächsten Zeit erst einmal ein Problem bleiben.
Willst du noch mehr zum Thema Medikamenten-Mangel erfahren?
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArm): Veröffentlichte Lieferengpassmeldungen
Stiftung Warentest: 2023 steigen viele Beiträge gesetzlicher Krankenkassen
Häufige Fragen zum Medikamenten-Mangel
Offiziell sind Engpässe bei 514 rezeptpflichtigen Medikamenten gemeldet (Stand: 4. Dezember 2023). Dazu zählen vor allem Husten- und Fiebersäfte, Schmerzmittel, Antibiotika und auch Krebs-Medikamente.
Die derzeitigen Lieferengpässe sind auf zahlreiche grundlegende strukturelle Probleme in der Versorgung mit Medikamenten zurückzuführen. Trotz der Lieferengpässe vielerorts droht nach derzeitigem Stand keine allgemeine Unterversorgung.