"Titan"-Tragödie im Newsticker
"Wie ein Horrorfilm": Experte beschreibt die letzten Sekunden an Bord der "Titan"
- Aktualisiert: 12.07.2023
- 15:48 Uhr
- Joachim Vonderthann
Die US-Küstenwache und Betreiber OceanGate gehen vom Tod aller fünf Passagiere des Tauchboots "Titan" aus +++ Eine Implosion soll verantwortlich sein +++ Alle Entwicklungen zur U-Boot-Tragödie im Überblick +++
Das Wichtigste in Kürze
Nachdem das Titanic-U-Boot "Titan" mehrere Tage vermisst war, gibt es nun keine Hoffnung mehr für die Insassen.
Am Donnerstagabend (22. Juni) teilt die US-Küstenwache mit, dass man vom Tod der Passagiere ausgehen müsse.
Die Implosion der "Titan" könnte sich bereits am Sonntag (18. Juni) ereignet haben.
+++ 12. Juli, 15:26 Uhr: "Wie ein Horrorfilm" müssen die letzten Sekunden an Bord der "Titan" gewesen sein. Das zumindest berichtet der spanische Ingenieur José Luis Martin. Er hat laut des Nachrichtenportals "Nius" Berechnungen angestellt, mit denen er einschätzen kann, wie das Ende an Bord des Mini-U-Boots ausgesehen haben könnte.
Demnach seien sich die fünf Insassen der drohenden Katastrophe wohl bewusst gewesen - zumindest zwischen 48 und 71 Sekunden vor der Implosion. Das Boot habe sich im "freien Fall" befunden. Martin gehe davon aus, dass die "Titan" in einer Tiefe von 1.700 Metern außer Kontrolle geraten sei, nachdem es womöglich zu einem Stromausfall gekommen war. Die Kommunikation zum Mutterschiff brach ab. Von da an sei das U-Boot etwa 900 Meter gefallen, "als wäre es ein Stein", beschleunigt durch das Gewicht der Passagiere. In einer Tiefe von 2.500 bis 2.700 Metern sei es dann zu Implosion gekommen.
Es sei schwer vorstellbar, wie die letzten Momente an Bord gewesen sein müssen. Alle stürzten, drängten sich übereinander. "Stellen Sie sich den Horror, die Angst und die Qualen vor." Es müsse "wie ein Horrorfilm" gewesen sein, so Martin.
Die Implosion sei von dem plötzlichen Anstieg des Unterwasserdrucks ausgelöst worden, der Kohlefaserrumpf habe dem nicht standgehalten. Es sei dann zu einem Mikroriss gekommen - und das Boot implodierte.
Ocenagate stellt Fahrten ein
+++ 6. Juli, 20:17 Uhr: Die Betreiberfirma des verunglückten "Titan"-Tauchboots stellt laut eigenen Angaben ihre Fahrten ein. "Oceangate hat alle wissenschaftlichen und kommerziellen Tätigkeiten beendet", hieß es in einem Banner auf der Webseite des Unternehmens. Kurz darauf war die Internetseite nicht mehr erreichbar. Weitere Details nannte Oceangate zunächst nicht. Zuvor hatten mehrere US-Medien darüber berichtet.
Veranstalter wirbt noch immer mit Fahrten zum Titanic-Wrack
+++ 30. Juni, 13:51 Uhr: Die Firma OceanGate, Veranstalter der Fahrt mit der "Titan" zum Wrack der Titanic, wirbt noch immer auf ihrer Website für Expeditionen zum Grund des Atlantiks. Erst vergangene Woche wurde bekannt, dass das Unternehmen auf unbestimmte Zeit seine Geschäfte einstellt, nachdem auch der Chef der Firma, Stockton Rush, an Bord der "Titan" ums Leben gekommen war.
Doch mehr als zehn Tage nach der Tragödie - und eine Woche nach der Bestätigung des Unglücks - sind auf der OceanGate-Website immer noch Termine für zwei separate achttägige Expeditionen im nächsten Jahr angegeben. Eigentlich waren alle zukünftigen Expeditionen abgesagt worden. Das berichtet "The Independent". Das Blatt hatte OceanGate um eine Stellungnahme gebeten, bisher gab es dazu allerdings keine Rückmeldung.
Trümmerteile und menschliche Überreste geborgen
+++ 29. Juni, 15:07 Uhr: Nach dem Unglück der "Titan" und dem Tod der fünf Insassen in den Tiefen des Nordatlantiks sollen Trümmerteile des Tauchboots in den USA untersucht werden. US-Mediziner würden zudem mutmaßlich menschliche Überreste analysieren, die ebenfalls geborgen worden seien, teilte die US-Küstenwache am Mittwochabend (28. Juni) mit. Das kanadische Schiff "Horizon Arctic" hatte die Wrackteile demnach am Mittwoch nach St. John's auf der kanadischen Insel Neufundland gebracht.
"Es gibt noch viel zu tun, um all die Faktoren zu ergründen, die zu dem katastrophalen Verlust der 'Titan' geführt haben", teilte Jason Neubauer von der US-Küstenwache mit, der die Untersuchungen der Behörde leitet. Die Ermittlungen seien notwendig, damit sich eine solche Tragödie nicht wiederhole.
Teenager wollte an Bord der "Titan" Weltrekord aufstellen
+++ 26. Juni, 12:19 Uhr: Der mit dem Tauchboot verunglückte Teenager Suleman Dawood hatte nach Angaben seiner Mutter geplant, während seiner Expedition zum Wrack der Titanic einen Weltrekord aufzustellen. Ihrer Aussage nach sei er ein begnadeter Zauberwürfel-Spieler gewesen. Das auch als Rubik's Cube bekannte Drehpuzzle wollte er in knapp vier Kilometern Meerestiefe lösen, sagte Christine Dawood dem britischen Sender BBC. Vor der Fahrt habe sich der 19-Jährige sogar um einen Eintrag im Guiness-Buch der Rekorde beworben. Sein Vater Shahzada, der ebenfalls bei der Expedition ums Leben gekommen ist, habe eigens eine Kamera mit an Bord genommen, um den Erfolgsmoment seines Sohnes festzuhalten.
Weiter erklärte Christine Dawood, dass sie selbst ursprünglich mit ihrem Mann an Bord der "Titan" gehen wollte. Die Corona-Pandemie habe allerdings das Vorhaben durchkreuzt. Dann hätte ihr Sohn selbst Interesse an der Reise zum Meeresboden gezeigt. "Dann habe ich verzichtet und ihnen die Gelegenheit gegeben, Suleman darauf vorzubereiten, weil er es wirklich machen wollte."
Bevor beide Männer schließlich die "Titan" bestiegen, hätten sie sich noch umarmt und Witze gemacht, schilderte sie. Dann sei das Tauchboot zum legendären Wrack des Luxusliners in 3.800 Meter Tiefe hinabgefahren, während Christine Dawood und ihre 17 Jahre alte Tochter Alina an Bord des Mutterschiffs "Polar Prince" ausharrten.
Mehrere Ermittlungen eingeleitet
+++ 26. Juni, 1:00 Uhr: Auch die US-Küstenwache sucht nach der Ursache des Unglücks. "Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf der Bergung von Gegenständen vom Meeresboden", sagte der Chefermittler der Küstenwache, Jason Neubauer, bei einer Pressekonferenz am Sonntag (Ortszeit) in St. John's auf der kanadischen Insel Neufundland. Aktuell führe man auch Befragungen im Hafen durch und befinde sich in der Phase der Beweissicherung.
"Ich werde nicht auf die Einzelheiten der Bergungsarbeiten eingehen. Aber wir treffen vor Ort alle Vorsichtsmaßnahmen, falls wir auf menschliche Überreste stoßen sollten", erklärte Neubauer zur Frage einer möglichen Bergung der Leichen.
+++ 25. Juni, 13:25 Uhr: Die kanadische Polizei wolle nun auch strafrechtliche Ermittlungen prüfen. Eine solche Untersuchung werde nur dann eingeleitet, wenn die Prüfung der Umstände darauf hinweise, dass möglicherweise Gesetze gebrochen worden seien, sagte Kent Osmond von der kanadischen Polizei. Derzeit bestehe kein Verdacht auf kriminelle Aktivitäten.
+++ 24. Juni, 10:15 Uhr: Die kanadische Verkehrssicherheitsbehörde (TSB) hat nach dem bestätigten Tod der fünf Insassen des Tauchboots "Titan" eine Untersuchung der Tragödie eingeleitet. Am Freitag (23. Juni, Ortszeit) teilte sie mit, man werde "eine Sicherheitsuntersuchung zu den Umständen dieses Einsatzes durchführen". Kanada ist für die Ermittlungen zuständig, da das vom Privatunternehmen Oceangate betriebene Tauchboot "Titan" von einem unter kanadischer Flagge fahrenden Mutterschiff an ihren Einsatzort gebracht worden war.
Teenager hatte "fürchterliche Angst" - und kam nur für Vater mit
+++ 23. Juni, 11:43 Uhr: Der Sohn des pakistanisch-britischen Unternehmers, der gemeinsam mit seinem Vater in dem Titan-U-Boot ums Leben kam, wollte offenbar gar nicht einsteigen. Das sagte die Familie des Teenagers gegenüber NBC News. Demnach habe er "schreckliche Angst" vor der Expedition gehabt, wollte aber mit seinem Vater mitfahren, weil es Vatertag war.
Die Tante des 19-Jährigen, Azmeh Dawood, sagte dem US-Medium, er habe einem Verwandten gesagt, er habe "nicht besonders Lust darauf" gehabt, weil er fürchterliche Angst hatte. Aber weil die Reise am Vatertagswochenende stattfand, habe er seinem Vater, der eine Leidenschaft für die Titanic hat, eine Freude machen wollen.
Expert:innen gehen nun davon aus, dass die Leichen der Abenteurer nie geborgen werden können. Laut Tiefsee-Experte Paul Hankin seien die Bedingungen dort "unglaublich unbarmherzig". Der "Daily Mail" sagte er, dass in dieser Tiefe unberechenbare Strömungen herrschen, die die Körper wegtreiben ließen.
"Titan"-Passagiere starben "schmerzlosen Tod"
+++ 23. Juni, 7:41 Uhr: Die Insassen des "Titan"-Tauchboots haben Experten zufolge von der Implosion ihres Gefährts nichts mehr mitbekommen. Der Druck auf das Tauchboot sei in so großer Tiefe massiv gewesen - die Implosion sei im Bruchteil einer Millisekunde passiert, zitierte der Sender CNN am Freitag Ex-Marineoffizierin Aileen Marty, eine Professorin für Katastrophenmedizin. Das menschliche Gehirn könne die Lage so schnell gar nicht erfassen. "Das ganze Ding ist kollabiert, bevor die Menschen darin überhaupt bemerken konnten, dass es ein Problem gab", betonte Marty.
Bei einer Implosion bricht ein Objekt schlagartig zusammen, wenn der Außendruck größer ist als der Innendruck. Sie steht im umgekehrten Kräfteverhältnis zu einer Explosion. Schon der kleinste strukturelle Defekt kann in großer Tiefe eine solche Katastrophe auslösen.
Die Insassen der "Titan" seien auf eine Art und Weise gestorben, bei der sie nicht einmal gewusst hätten, dass sie sterben würden, erklärte Marty. "Letztlich ist dies mit Blick auf die vielen Möglichkeiten, auf die wir sterben können, schmerzlos."
Implosion der "Titan" schon am Sonntag?
+++ 23. Juni, 7:03 Uhr: Die Implosion des Tauchboots "Titan" könnte bereits am Sonntag von einem akustischen Unterwassererkennungssystem der US-Navy registriert worden sein. Das berichten US-Berichten . "Die US-Marine führte eine Analyse der akustischen Daten durch und entdeckte eine Anomalie, die auf eine Implosion oder Explosion in der allgemeinen Umgebung des Einsatzorts des Titan-Tauchboots zurückzuführen war, als die Kommunikation unterbrochen wurde", sagte ein Sprecher dem Sender ABC. Zuvor hatte auch die Zeitung "Wall Street Journal" berichtet. Die US-Küstenwache hatte die fünf Abenteurer in der "Titan", die am Sonntag zum Wrack der "Titanic" hinabtauchen wollten, am Donnerstag für tot erklärt.
Bei einer Implosion bricht ein Objekt schlagartig zusammen, wenn der Außendruck größer ist als der Innendruck. Sie steht im umgekehrten Kräfteverhältnis zu einer Explosion. Schon der kleinste strukturelle Defekt kann in großer Tiefe eine solche Katastrophe auslösen.
Die Insassen der "Titan" seien auf eine Art und Weise gestorben, bei der sie nicht einmal gewusst hätten, dass sie sterben würden, erklärte Marty. "Letztlich ist dies mit Blick auf die vielen Möglichkeiten, auf die wir sterben können, schmerzlos."
US-Küstenwache geht vom Tod der Tauchboot-Besatzung aus
+++ 22. Juni, 21:15 Uhr: Die US-Küstenwache geht vom Tod der fünf Insassen des Tauchboots "Titan" aus. Er spreche den Familien der Opfer sein tiefes Beileid aus, sagte Sprecher John Mauger am Donnerstag in Boston. Die in der Nähe des "Titanic"-Wracks gefundenen Trümmerteile gehören der US-Küstenwache zufolge zum verschollenen Tauchboot "Titan". Damit sei belegt, dass es keine Überlebenschance für die fünf Vermissten mehr gebe.
Zuvor hatte die Küstenwache mitgeteilt, ein Tauchroboter sei im Einsatzgebiet auf ein "Trümmerfeld" gestoßen. Die Informationen würden analysiert, hieß es weiter. Das Tauchboot wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst. Die "Titan" war mit fünf Menschen an Bord auf dem Weg zum Wrack der 1912 gesunkenen "Titanic" in rund 3800 Metern Tiefe. Etwa eine Stunde und 45 Minuten nach Beginn des Tauchgangs riss der Kontakt zum Mutterschiff ab.
Schiffe und Personal wird abgezogen
Im Einsatzgebiet rund 700 Kilometer südlich der kanadischen Insel Neufundland hatten Trupps aus den USA und Kanada eine großangelegte Suche sowohl an der Wasseroberfläche als auch in der Tiefe des Ozeans gestartet. Dabei waren Schiffe, Flugzeuge, ferngesteuerte Unterwasserfahrzeuge, Tauchroboter und andere Gerätschaften im Einsatz.
Die US-Küstenwache will ihre Suche nun zurückfahren. "Wir werden im Laufe der nächsten 24 Stunden damit beginnen, Personal und Schiffe vom Unfallort abzuziehen", sagte Sprecher John Mauger am Donnerstag in Boston. Die Operationen auf dem Meeresboden werde jedoch bis auf Weiteres fortgesetzt.
U-Boot-Betreiber: Alle Passagiere offenbar tot
+++ 22. Juni, 21:05 Uhr: Am Donnerstagabend hat die Firma hinter der Expedition der "Titan", OcenGate, eine Erklärung veröffentlicht, in der sie den Tod aller Insassen des U-Boots vermutet: "Wir glauben jetzt, dass unser CEO Stockton Rush, Shahzada Dawood und sein Sohn Suleman Dawood, Hamish Harding und Paul-Henri Nargeolet, leider verloren sind", heißt es in dem Statement.
Zuvor hatten britische Medien von der Entdeckung von Trümmern berichtet. So sollen offenbar die Folge einer "katastrophalen Implosion" der Titan gewesen sein.
"Trümmerfeld" nahe "Titanic" gefunden - Experte sicher: Trümmer stammen von der "Titan"
+++ 22. Juni, 20:16 Uhr: Ein Experte für Schiffsbergungen ist sicher, dass das bei der Suche nach der "Titan" entdeckte Trümmerfeld von dem vermissten Tauchboot stammt. David Mearns berief sich in Gesprächen mit den Sendern BBC und Sky News am Donnerstag auf Aussagen, die der Präsident des "Explorers Club" in einer WhatsApp-Gruppe gemacht habe. In der Vereinigung sind Forschungsreisende zusammengeschlossen, auch zwei "Titan"-Insassen sind Mitglieder. Mearns sagte, zu erkennen seien der sogenannte Landerahmen sowie die hintere Abdeckung des Tauchboots. Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es zunächst nicht.
Zuvor hatte die US-Küstenwache mitgeteilt, dass ein Tauchroboter im Einsatzgebiet in der Nähe des Wracks der "Titanic" auf ein Trümmerfeld gestoßen sei. Experten werteten die Informationen nun aus, twitterte die Behörde, ohne weitere Angaben zu machen.
Das Tauchboot wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst. Die "Titan" war mit fünf Menschen an Bord auf dem Weg zum Wrack der 1912 gesunkenen "Titanic" in rund 3800 Metern Tiefe.
+++ 22. Juni, 15:25 Uhr: Auch nach dem berechneten Ende des Sauerstoffvorrats spricht die US-Küstenwache noch immer von einer Rettungsmission für das Tauchboot "Titan". Die Suchmannschaften hofften weiterhin, die fünf Insassen lebend zu finden. "Es ist immer noch eine aktive Such- und Rettungsmission", sagte der Chef der Küstenwache im Nordosten der USA, John Mauger, dem britischen Sender Sky News. "Die Bedingungen für Suche und Rettung sind derzeit günstig, wir nutzen das Wetterfenster optimal." Mauger betonte: "Wir bleiben an diesem Punkt hoffnungsvoll."
U-Boot-Fahrer der Royal Navy soll bei der Suche helfen
+++ 22. Juni, 14:51 Uhr: Ein britischer Experte soll nun bei der Suche helfen. "Auf Bitte der US-Küstenwache hat das Vereinigte Königreich einen U-Boot-Fahrer der Royal Navy abgestellt, um die Such- und Rettungsbemühungen um das vermisste U-Boot zu unterstützen", sagte ein Regierungssprecher in London. Leutnant Commander Richard Kantharia verfüge über umfassende Kenntnisse von U-Boot-Kriegsführung und Tauchoperationen, er werde diese Erfahrungen daher in das Such- und Rettungsteam einbringen.
+++ 22. Juni, 14:25 Uhr: Rettungskräfte haben begonnen, mit einem Tauchgefährt des kanadischen Schiffes "Horizon Arctic" den Meeresboden abzusuchen. Auch ein ferngesteuertes Gefährt des französischen Forschungsschiffs "L'Atalante" werde für den Einsatz auf dem Grund des Atlantiks vorbereitet.
96 Stunden abgelaufen - Sauerstoff neigt sich dem Ende
+++ 22. Juni, 13:10 Uhr: Nach Schätzungen der Rettungsmannschaften sind die 96 Stunden, für die der Sauerstoff an Bord der "Titan" noch reichen könnte, inzwischen abgelaufen. Experten wiesen allerdings darauf hin, dass derlei Angaben, wie sie der Betreiber Oceangate Expeditions gemacht hatte, nur einen ungenauen Wert darstellen. Sie dienten höchstens als Richtwert. Auch jetzt könnte noch Luft für die fünf Insassen vorhanden sein, falls es ihnen gelungen sei, Sauerstoff zu sparen, etwa indem sie sich wenig bis kaum bewegen.
"Wir wissen nicht, wie lange sie in Bezug auf den Sauerstoffgehalt tatsächlich durchhalten werden", erklärte der Meeresforscher Simon Boxall von der Universität Southampton dem US-Sender NBC News. Bekannt sei nur, dass der kritische Zeitpunkt "unmittelbar bevorsteht".
Experten erwarten Konsequenzen
+++ 22. Juni, 12:45 Uhr: Nachdem es inzwischen mehrere Berichte über schlechte Sicherheitsvorkehrungen für das vermisste Tauchboot gibt, erwarten Experten Konsequenzen. "Es wird sicherlich eine Untersuchung nach dieser Katastrophe geben und deutlich striktere Regeln und Vorschriften werden eingeführt werden", erklärte der Chef der auf Titanic-Ausstellungsstücke spezialisierten Firma White Star Memories, David Scott-Beddard, dem Sender CNN. Zweifellos werde der Vorfall die Möglichkeit beeinträchtigen, das berühmte Wrack zu besichtigen und zu erforschen. "Die Chancen von künftiger Forschung am Wrack der Titanic sind äußerst gering. Wahrscheinlich nicht zu meinen Lebzeiten", so Scott-Beddard.
Der bekannte Meeresforscher David Mearns sagte der BBC, er fordere die Branche auf, sich genau zu reflektieren und prüfen, ob man wirklich Passagiere an solch entlegene Orte bringen sollte. "Denn wenn etwas schiefgeht, gibt es sehr, sehr wenige Möglichkeiten für eine Bergung."
Bergung würde lange dauern
+++ 22. Juni, 9:30 Uhr: Experten zufolge kann das vermisste U-Boot unter Wasser nicht mit frischem Sauerstoff versorgt werden, selbst wenn es relativ bald gefunden würde. "In dieser Tiefe gibt es wirklich keine Möglichkeit, Sauerstoff hineinzubekommen", so der Meeresforscher Tom Dettweiler gegenüber dem US-Sender CNN. "Es gibt keine Öffnung oder ähnliches, durch die Sauerstoff eindringen könnte." Nur wenn man die "Titan" so schnell wie möglich nach oben brächte, gebe es eine Chance, die Luke zu öffnen und zu den Menschen zu gelangen.
Es an die Oberfläche zu bringen würde aber vermutlich mehrere Stunden dauern, betonte der Forscher. "Es ist einfach so, dass wir es mit einer großen Entfernung und schwierigen Bedingungen zu tun haben", so Dettweiler.
+++ 22. Juni, 9:04 Uhr: Mehr als drei Tage nach dem Verschwinden des Titanic-Tauchboots im Atlantik gibt es kaum mehr Hoffnung auf ein Überleben der fünf vermissten Insassen. Den fünf Abenteurern an Bord geht langsam der Sauerstoff aus: Er dürfte nur noch für wenige Stunden reichen, falls die "Titan" überhaupt weiter intakt ist. Die Rettungstrupps unter Führung der US-Küstenwache verstärkten ihre Anstrengungen erneut und konzentrierten sich auf ein Gebiet, aus dem zuvor Geräusche aufgenommen wurden.
Nur noch wenig Sauerstoff in der "Titan"
Die Laute, die am Dienstagabend (20. Juni) und am Mittwochmorgen (21. Juni) registriert wurden, hatten Hoffnungen geschürt, das Tauchboot mit den Insassen zu finden. Die Geräusche sollen einem internen Memo der US-Regierung zufolge in regelmäßigen Abständen aufgetaucht sein - doch sie ließen sich laut Such-Koordinator Jamie Frederick zunächst keinen Menschen zuordnen: "Wir wissen nicht, was das ist."
Die Töne, die als Klopfen interpretiert wurden, könnten einem US-Experten zufolge viele Ursachen haben. "Aus meiner Erfahrung mit der Akustik kann ich Ihnen sagen, dass es Geräusche von biologischen Stoffen gibt, die für das ungeübte Ohr von Menschen gemacht klingen", sagte Carl Hartsfield vom Oceanographic Systems Laboratory. Auch könnten sie von Schiffen in dem Suchgebiet stammen. Laut David Marquet, einem pensionierten Kapitän der US-Marine, sind die Aufzeichnungen aber zumindest ein Grund zur Hoffnung. Regelmäßiges Klopfen sei genau die Art von Lauten, die die Insassen machen würden, um zu signalisieren, dass sie noch leben, sagte er der BBC.
Das Tauchboot wird seit Sonntagvormittag (18. Juni, Ortszeit) vermisst. Die "Titan" war mit fünf Menschen an Bord auf dem Weg zum Wrack des 1912 gesunkenen Luxusdampfers. Das Titanic-Wrack liegt in rund 3.800 Metern Tiefe. Etwa eine Stunde und 45 Minuten nach Beginn des Tauchgangs riss der Kontakt zum Mutterschiff "Polar Prince" ab.
Klopfgeräusche machten Hoffnung
Die Suche aus der Luft und mit Schiffen wurde indes weiter verstärkt. Ein französisches Spezialschiff mit einem Tauchroboter an Bord wurde in der Nacht zum Donnerstag (MESZ) vor Ort erwartet. Auch die kanadische "HMCS Glace Bay", die eine Dekompressionskammer und medizinisches Personal an Bord hat, war unterwegs in das riesige Suchgebiet. Verunglückte Taucher müssen nach der Rettung schnell in eine solche Kammer, um bleibende Schäden zu verhindern. Die US-Navy schickte das Schiffshebesystem "Fadoss".
Such-Koordinator Frederick sprach auf Nachfrage angesichts des sich schließenden Zeitfensters auch über ein mögliches Scheitern der Mission. "Manchmal finden wir nicht, wonach wir suchen", sagte er. Dann komme es vor, "dass man eine schwierige Entscheidung treffen muss. Wir sind aber noch nicht an diesem Punkt", betonte Frederick. Falls dieser Fall eintrete, würden die Familien der Vermissten lange vor der Öffentlichkeit unterrichtet. Frederick sagte auch, dass es gelte, "optimistisch und hoffnungsvoll" zu bleiben. Es handle sich weiter um einen Rettungseinsatz - nicht um eine Bergungsmission.
An Bord der "Titan" befindet sich auch der Forscher Paul-Henri Nargeolet (77). Der als "Monsieur Titanic" bekannte Franzose gilt als einer der führenden Experten für das Wrack des Luxusliners. Weitere Insassen sind der britische Abenteurer Hamish Harding (58), der mehrere Guinness-Weltrekorde hält, sowie der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood (48) und dessen 19-jähriger Sohn Suleman. Der fünfte Vermisste ist der Chef der Betreiberfirma Oceangate, Stockton Rush (61), der das Boot steuerte.
Auch "Monsieur Titanic" an Bord des Tauchboots
Nach Angaben des Betreibers hat die 6,70 Meter lange "Titan" ausreichend Sauerstoff, um fünf Menschen für 96 Stunden zu versorgen. Aber auch danach würden Menschen zunächst wahrscheinlich erst einmal bewusstlos und seien nicht gleich tot, sagte Kenneth Ledez, Professor für Überdruckmedizin, der BBC. Es gebe auch danach noch Hoffnung, sie lebend zu finden. Menschliche Körper reagierten ganz unterschiedlich auf mangelnden Sauerstoff.
Aber selbst, wenn die Kapsel geortet wird, könnte eine Bergung einige Zeit in Anspruch nehmen. In der Nähe der Titanic knapp 700 Kilometer südlich von Neufundland sind die Bedingungen schwierig. Es herrscht pechschwarze Dunkelheit, und der Wasserdruck ist riesig.
An der Sicherheit der "Titan" waren zuletzt zunehmend Zweifel aufgekommen. Dafür sorgten auch Aussagen von Oceangate-Chef Rush in einem Podcast des CBS-Reporters David Pogue, der 2022 mit der "Titan" mitgefahren war. "Wissen Sie, irgendwann ist Sicherheit reine Verschwendung", sagte Rush da. "Ich meine, wenn Sie auf Nummer sicher gehen wollen, stehen Sie am besten nicht auf. Steigen Sie nicht in Ihr Auto. Tun Sie gar nichts." Die BBC berichtete unter Berufung auf US-Gerichtsdokumente, ein Oceangate-Mitarbeiter habe 2018 vor potenziellen Sicherheitsproblemen gewarnt. Mängel im Karbonrumpf des Boots könnten ohne strengere Tests unentdeckt bleiben, hieß es.
"Titan"-Sicherheit in Zweifel gezogen
Oceangate bietet zahlungskräftigen Kunden eine abenteuerliche Reise - die Kosten für die insgesamt achttägige Expedition liegen bei 250.000 US-Dollar (229.000 Euro) pro Person. Die Tauchfahrt zur Titanic selbst solle aber immer nur einige Stunden dauern.
Die Titanic war im April 1912 auf ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York im Nordatlantik gesunken. Mehr als 1.500 der 2.200 Menschen an Bord starben. Die in zwei große Teile zerbrochenen Überreste des berühmten Luxusdampfers wurden 1985 entdeckt.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa