"October Surprise"
US-Wahlkampf 2024: Clinton warnt vor gezielten Fake News gegen Harris
- Aktualisiert: 02.10.2024
- 08:47 Uhr
- Oliwia Kowalak
Im letzten Monat des US-Wahlkampfes bereitet man sich auf die sogenannte "October Surprise" vor. Die Demokratin Hillary Clinton warnt in diesem Zusammenhang vor Falschnachrichten über US-Vize Kamala Harris.
Das Wichtigste in Kürze
Einen Monat vor der Präsidentschaftswahl in den USA geht der Wahlkampf in die Endphase.
Der Oktober ist vor diesem Hintergrund bekannt für Überraschungen im Wahlkampf, die US-Bürger umstimmen könnten.
Ex-Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, mahnt in einem Interview zur Vorsicht vor Falschnachrichten über Kamala Harris.
Der Wahlkampf in den USA geht in die heiße Endphase. Es bleiben nur noch wenige Wochen, bis die Amerikaner am 5. November ihre oder ihren Favorit:in für den Präsidentschaftsposten wählen können. Auf den letzten Metern des Wahlkampfes zeigt sich ebenso größere Besorgnis über mögliche Sabotageversuche gegen die Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris. Das Team von Ex-Präsident Donald Trump scheut sich nicht, die Demokratin Harris mit bizarren Vorwürfen und Unterstellungen zu konfrontieren.
In einem Interview mit der US-Moderatorin von "Firing Line", Margaret Hoover, warnte die ehemalige Bewerberin für das Präsidentschaftsamt der Demokraten, Hilary Clinton, vor der sogenannten "October Surprise" (Oktober-Überraschung), die das Potenzial hat, das Bild von Harris öffentlich zu "verzerren" und zu "pervertieren". Diese Überraschungen kurz vor der Wahl könnten Wähler:innen politisch und emotional umstimmen. "Es wird konzertierte Bemühungen geben, Kamala Harris zu verzerren und zu verdrehen, wer sie ist, wofür sie steht und was sie getan hat", sagte Clinton in dem TV-Gespräch.
Dabei erinnerte sich die Frau des ehemaligen Präsidenten Bill Clinton zurück an die "Pizzagate"-Verschwörungstheorie, als sie gegen Trump zur Wahl antrat. "Die verrückte Geschichte, dass ich von einem Keller einer Pizzeria aus einen Kinderhandel betrieben habe", empörte sich Clinton.
Im Video: "Ist bereit": Harris will weiteres TV-Duell - Trump lehnt aus diesem Grund ab
Der Fall von Hillary Clinton oder der "Pizzagate"-Skandal
Im US-Wahlkampf 2016, als der Demokrat Barack Obama letztendlich vom Republikaner Donald Trump abgelöst wurde, verbreitete sich in den sozialen Medien eine bisher nicht belegte Falschmeldung über die damalige Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. Anfang November 2016 veröffentlichte die Plattform Wikileaks E-Mails von Clintons Wahlkampfleiter John Podesta. In den Mails, in denen es um Wahlkampfspenden geht, gewann besonders ein Kontakt hohe Aufmerksamkeit unter Clintons Gegnern.
James Alefantis, der Besitzer einer Pizzeria in Washington und Unterstützer der demokratischen Partei, sammelte schon Spenden für Obama und später auch für Clinton ein. Aus den E-Mails, in denen es um Spendengelder und entsprechende Events geht, deckten angebliche Recherchen von 4chan-Nutzer:innen einen mutmaßlichen Pädophilenring auf, in den auch der Pizzeria-Besitzer und Koch verwickelt war. Die Anschuldigungen basierten auf Instagram-Bildern von Kindern und moderner Kunst, die die Wände seines Restaurants schmückten, wie "BBC News" berichtete. Der Koch ist bekennender Homosexueller und war mit David Brock, einem liberalen Funktionär und CEO von Media Matters for America liiert.
4chan ist eine ursprünglich als Manga- und Anime-Forum gegründete Internetplattform. Bekanntheit erlangte allerdings das Unterforum "/b/", das gewaltverherrlichende, pornografische und rassistische Inhalte verbreite. 4chan werden mitunter Verbindungen zur Hackergruppe Anonymous nachgesagt. Die Plattform wahrt strenge Anonymität der Nutzer:innen, sodass eine Verfolgung kaum möglich ist.
Die Theorie sickerte im Anschluss ins Internet. Einige Reddit-User:innen haben wenige Tage vor der US-Wahl ein Dokument mit angeblichen Beweisen veröffentlicht. Laut "BBC" erschien dieses erstmals auf einer Seite von Trump-Anhängern der extremistischen weißen nationalistischen Alt-Right-Szene.
"Manchmal ist ein unschuldiges Bild eines Kindes in einem Körbchen nur ein unschuldiges Bild eines Kindes in einem Körbchen und kein Beweis für einen Kindersex-Handelsring", sagte Alefantis damals bei dem Versuch, die Sachverhalte aufzuklären. Neben Demonstrationen vor seiner Pizzeria und an ihn gerichteten Drohungen bewegte die Verschwörungstheorie einen Mann dazu, mit einem Sturmgewehr des Typs AR-15 bewaffnet, die Pizzeria zu stürmen.
Im Video: "Er lügt!": Biden wettert gegen Donald Trump
"Es war eine riesige Geschichte. Und es hat einen jungen Mann in North Carolina dazu gebracht, in sein Auto zu steigen, mit seinem Sturmgewehr, und hinzufahren, um diese nicht existierenden Kinder zu befreien und eine Pizzeria in Washington, D.C., zu beschießen", so Clinton im Interview mit Margaret Hoover.
Sie warnte eindringlichst vor der Verbreitung solcher Falschinformationen: "Das ist gefährliches Zeug. Es beginnt oft online im Dark Web. Es wandert weiter. Es wird von den Trump-freundlichen Medien aufgegriffen. Dann berichten alle anderen darüber, was dafür sorgt, dass es eine 100-prozentige Berichterstattung gibt, und die Leute glauben es", ergänzte sie.
Trump im Wahlkampf: "Politik ist ein dreckiges Spiel"
Clinton mahnte, dass vor der diesjährigen Wahl "der digitale Äther" mit Fehlinformationen gefüllt sein werde, die ein Eigenleben entwickeln könnten. Die "Pizzagate"-Verschwörung wurde damals auch von Trump-Berater Michael G. Flynn junior verbreitet, woraufhin Donald Trump eine Entlassung Flynns angeordnet hat. Trump hat sich im Anschluss von der Verschwörungstheorie distanziert.
Mehrfach betonte der Republikaner bereits, dass Politik für ihn ein dreckiges Spiel sei. Lügen und bizarre Vorwürfe, die den aktuellen US-Wahlkampf überschatten, sorgen bei Bürger:innen zunehmend für Verwirrung und Spaltung. Im Wahlkampf gegen Kamala Harris nutzt Trump oftmals die Reichweite von Influencern auf Social-Media-Plattformen. Seine Zusammenarbeit mit der Influencerin Laura Loomer haben bereits Kollegen aus dem eigenen Parteilager der Republikaner scharf kritisiert.
Besonders die angespannte Katastrophensituation um den tödlichen Sturm "Helene" will der Republikaner nun auch strategisch zu seinem Vorteil drehen. Bei seinem Besuch in den vom Hurrikane "Helene" verwüsteten Südstaaten der USA, griff Trump erneut in die Trickkiste und behauptete, dass Georgias nach Hilfe suchender Gouverneur Brian Kemp Präsident Joe Biden nicht erreichen könnte. Kemp stellte die Behauptung anschließend vor Journalisten schnell richtig, da er bereits mit dem Präsidenten in Kontakt gestanden habe, so die "Berliner Morgenpost".
Trump ist zudem wegen seiner Behauptung über Haustiere essende Migranten aus Haiti von einer Haitianischen Gruppe beim Bundesgericht in Miami verklagt worden.
Die Macht von Fake News überschätzt?
Für Clintons Niederlage 2016 machten zahlreiche Stimmen Fake News verantwortlich, die damals über die Kandidatin kursierten. Unwahre Nachrichten verbreiteten sich zwar schneller, jedoch haben umfassende Untersuchung gezeigt: nur kleine Gruppen nehmen diese wahr - darüber hinaus sei ihr Effekt auch nur gering. Soziale Medien wären verschiedenen Studien zufolge nicht die dominante Informationsquelle der Wähler:innen von 2016 gewesen, wie Forscher Hunt Allcott von der New York University und Matthew Gentzkow aus Stanford schrieben.
Eine Untersuchung von "Science" zeigte, dass Fake News zudem extrem konzentriert verbreitet werden. Für die Studie wurden 16.000 Twitter-Konten untersucht. Nur auf etwa ein Prozent der Personen entfielen 80 Prozent der Fake-News-Quellen. Einzelpersonen, die sich am ehesten mit Fake-News-Quellen beschäftigten, waren demnach konservativ eingestellt, älter und beschäftigten sich intensiv mit politischen Nachrichten, hieß es in dem Science-Artikel. Unabhängig von der politischen Gesinnung machten gleichzeitig klassische Medien den Großteil des Twitter-Feeds aus.
Hillary Clinton hält es allerdings für nötig, nun kurz vor der Wahl ein "konsistentes Narrativ" über die Gefahr von Trump in der Presse herzustellen. Sie warnte außerdem, dass ausländische Akteure wie Russland, Iran und China Desinformationen in den sozialen Medien verbreiten könnten, um die Wahl zu beeinflussen. "Ich weiß nicht, was es sein wird", so Clinton. "Aber es wird etwas sein, und wir werden sehr, sehr hart arbeiten müssen, um sicherzustellen, dass es als die Lüge entlarvt wird, die es ist."
- Verwendete Quellen:
- thehill.com: "Clinton warns of October surprise that will 'distort and pervert' Harris"
- bbc.com: "The saga of 'Pizzagate': The fake story that shows how conspiracy theories spread"
- wikileaks.org
- das-nettz.de: 4chan
- deutschlandfunk.de: "Die Macht der "Fake News" in den USA"
- Berliner Morgenpost: "Hurrikan "Helene": Republikaner entlarvt Donald Trumps Lügen"
- Journal of Economic Perspectives: "Social Media and Fake News in the 2016 Election"
- Science.org: "Fake news on Twitter during the 2016 U.S. presidential election"