Verfolgungsjagd auf der Ostsee
Sabotage an Seekabel: Chinesischer Frachter steht unter Verdacht
- Aktualisiert: 20.11.2024
- 12:03 Uhr
- Claudia Scheele
Nach der vermeintlichen Sabotage zweier Kommunikationskabel in der Ostsee berichten mehrere Medien von einer Verfolgungsjagd auf einen chinesischen Frachter.
Das Wichtigste in Kürze
Die Beschädigung der zwei Kommunikationskabel in der Ostsee wird aktuell als Sabotage eingestuft. Die schwedischen Behörden ermitteln.
Laut Medienberichten überwacht die dänische Marine einen chinesischen Frachter, der am Wochenende einen russischen Hafen verlassen hat.
Die kritische Infrastruktur in der Ostsee wird von der NATO bereits seit längerem beobachtet.
Nach der Beschädigung von zwei Kommunikationskabeln in der Ostsee ermitteln die schwedischen Behörden wegen möglicher Sabotage. Derzeit werde der Tatbestand als Sabotage eingestuft, teilten die Polizei des skandinavischen Nato-Landes sowie der zuständige Staatsanwalt Henrik Söderman mit. An dieser Einstufung könne sich jedoch noch etwas ändern. Söderman verwies zudem darauf, dass sich die Ermittlungen in einem frühen Stadium befänden. Weitere Informationen könne man derzeit nicht herausgeben.
Erste Indizien scheinen jedoch auf verdächtige Schiffsbewegungen in der Region hinzudeuten. Diese Bewegungen stimmten zeitlich und räumlich mit den Vorfällen an den Kabeln überein, sagte der schwedische Minister für Zivilverteidigung, Carl-Oskar Bohlin, dem Sender TV4. Dies habe die Polizei dazu veranlasst, die Ermittlungen wegen vermuteter Sabotage einzuleiten. Nach Informationen des schwedischen Rundfunksenders SVT wird besonders einem chinesischen Schiff Beachtung geschenkt, das die Glasfaserkabel zu den fraglichen Zeitpunkten auf seinem Weg von einem russischen Ölhafen passiert haben soll.
Mit dem Sabotage-Verdacht bestätigten die Schweden eine Vermutung, die Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius bereits am gestrigen Morgen (19. November) geäußert hatte. Er ging davon aus, dass die Schäden an den Unterseekabeln zwischen Finnland und Deutschland sowie zwischen Schweden und Litauen absichtlich herbeigeführt worden sind. "Niemand glaubt, dass diese Kabel aus Versehen durchtrennt worden sind", sagte der SPD-Politiker in Brüssel. Man müsse von Sabotage ausgehen. Beweise dafür gebe es bislang aber nicht.
Chinesischer Frachter wird von Dänemark überwacht
Laut Informationen von "ntv.de" wird derzeit ein chinesischer Frachter der Reederei Nngbo Yipeng Shipping von Dänemark überwacht. Die dänische Marine verfolgt demnach seit Dienstag den Frachter "Yi Peng 3", der am Freitag den russischen Hafen Ust-Luga, in der Nähe der Grenze zu Estland, verlassen hatte. Ziel des chinesischen Bulkcarriers ist Port Said in Ägypten, wo er am 3. Dezember erwartet wird.
Unter anderem der schwedische Rundfunksender SVT berichtete, Marineschiffe aus NATO-Ländern hätten das aus einem russischen Ölhafen kommende Schiff nach den Vorfällen an den Unterseekabeln auf seinem Weg aus der Ostsee in den Kattegat zwischen Dänemark und Schweden beschattet. Mehrere Patrouillenschiffe der dänischen Marine sollen dem Schiff demnach gefolgt sein.
Offiziell bestätigt wurde das bislang nicht. Schiffsbewegungen zeigten jedoch, dass sich am Mittwochmorgen mindestens zwei dänische Militärschiffe im Kattegat südlich der kleinen Insel Anholt in unmittelbarer Nähe der "Yi Peng 3" befanden. Das chinesische Schiff lag demnach zu dem Zeitpunkt vor Anker. Ob es von den Dänen festgesetzt wurde oder aus einem anderen Grund Halt machte, blieb zunächst unklar. Während sich die dänischen Behörden bedeckt halten, sagt der finnische Verteidigungsminister Antii Häkkänen, dass das Schiff nicht entkommen könne. Über das Portal "Marinetraffic.com" kann das Schiff live verfolgt werden.
Im Video: Unterseekabel in der Ostsee beschädigt - Pistorius geht von Sabotage aus
Sabotierte Datenautobahn zwischen Finnland und Deutschland
Eines der betroffenen Kabel namens C-Lion1 verläuft auf einer Länge von 1.173 Kilometern zwischen Helsinki und Rostock. Das staatliche finnische Unternehmen Cinia hatte am Montag einen Defekt an der 2016 in Betrieb genommenen Untersee-Leitung festgestellt, die als Art Datenautobahn am Meeresgrund Mitteleuropa und Rechenzentren in Nordeuropa verbindet. Zum Teil führt die Verbindung über dieselbe Route wie die vor zwei Jahren zerstörten Nord-Stream-Pipelines.
Cinia geht davon aus, dass das Kabel am Grund der Ostsee gebrochen ist und durch äußere Einwirkung durchtrennt wurde, etwa durch einen Anker oder ein Grundschleppnetz. Ob vorsätzlich oder nicht - dazu ist wie vieles in dem Fall bislang noch unklar. Größere Beeinträchtigungen sollen finnische Internet-Nutzer bislang nicht gespürt haben. Nach Angaben der finnischen Verkehrs- und Kommunikationsbehörde soll auch der Datenverkehr nicht dauerhaft gestört gewesen sein. Die Reparatur des Kabels soll nach Cinia-Angaben etwa 5 bis 15 Tage dauern.
Ebenfalls am Montag war bekannt geworden, dass mit dem Arelion-Kommunikationskabel zwischen der schwedischen Insel Gotland und Litauen noch ein weiteres Datenkabel in den Tiefen der Ostsee beschädigt wurde. Die Generalstaatsanwaltschaft in Vilnius untersucht die Umstände und sammelt Informationen über die bereits am Sonntag aufgetretene Beschädigung des Kabels.
Dieses Kabel soll bereits recht alt sein und in der Vergangenheit Ausfälle erlebt haben, die normalerweise mit Fehlern bei der Schifffahrt zusammenhingen. Verdächtig ist diesmal jedoch unter anderem, dass sich dieses Kabel und C-Lion1 östlich von Gotland an einem Punkt kreuzen.
"Wir können Sabotage sicherlich nicht ausschließen, da es bereits zuvor Warnsignale gab. Das wäre nicht das erste Mal und es wäre nichts Neues", sagte der designierte litauische Regierungschef Gintautas Paluckas.
Im Fokus der NATO: Kritische Infrastruktur in der Ostsee
Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 und den Explosionen an den Nord-Stream-Pipelines gut sieben Monate später steht die kritische Infrastruktur in der Ostsee stärker im Fokus der Öffentlichkeit und insbesondere der NATO. Im Herbst 2023 wurde mit der Ostsee-Pipeline Balticconnector eine wichtige Energieleitung zwischen Finnland und Estland gekappt und dabei auch ein Datenkabel zwischen den beiden EU-Staaten beschädigt.
Nach Angaben der finnischen Ermittler wurde die Pipeline höchstwahrscheinlich vom Anker eines chinesischen Containerschiffs namens "Newnew Polar Bear" zerstört. Ob es sich bei dem Vorfall um einen Unfall oder um bewusste Sabotage handelte, ist bis heute unklar.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa
- "Hufvudstadsbladet": "Misstänkta kinesiska fartyget har stannat – omringas av danska flottan"
- MarineTraffic.com