Experte verrät Kanzlerstrategien
Pulverfass Migration: Das ist das Kalkül von Merz und Scholz im Wahlkampf
- Veröffentlicht: 27.01.2025
- 17:19 Uhr
- Emre Bölükbasi
Seit der Gewalttat in Aschaffenburg ringen die Parteien um eine neue Migrationspolitik. Ein Politik-Experte verrät jetzt im :newstime-Interview, mit welcher Strategie die Kanzlerkandidaten Merz und Scholz das Rennen machen wollen.
Das Wichtigste in Kürze
CDU-Chef Merz fordert eine deutlich härtere Migrationspolitik auf Bundesebene.
Dass die Vorschläge möglicherweise mit AfD-Stimmen angenommen werden könnten, sorgt für heikle Debatten.
Der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke erklärt gegenüber :newstime, was die Taktik der Union und der SPD in der Migrationsdebatte ist.
Spätestens seit der Gewalttat in Aschaffenburg mit zwei Toten und drei Schwerverletzten dominiert ein Thema den Wahlkampf in Deutschland: Migration. Im :newstime-Interview erklärt der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke: Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) gehe mit seinem heiklen Migrationsvorstoß ein "gewaltiges Risiko" ein, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hingegen setze die Brandmauer zur AfD als eine Waffe ein. Doch was bezwecken sie mit ihren Strategien?
Laut von Lucke steht fest: Der Fünf-Punkte-Plan Merz' ist "eine Ansage, wie es sie in dieser Weise noch nicht gegeben hat". "Es wäre eine maximale Verschärfung der Migrationspolitik", sagt er und hebt hervor, dass es sie "in dieser Radikalität bisher nicht gegeben" habe.
Symbolträchtiger und riskanter Schritt - zieht die Ampel mit?
Es sei jedoch unklar, ob die Maßnahmen überhaupt rechtlich umsetzbar seien. Doch dem Experten zufolge hat der Migrationsvorstoß in erster Linie symbolische Wirkung: "Es kommt hier in dem Falle ganz ersichtlich der CDU vor allem auf das Symbol an - Friedrich Merz will einen Pflock einrammen. (...) Und er stellt damit die anderen Parteien, vor allem SPD und Grüne, auf die Probe: Zieht ihr mit oder nicht?"
Er will einerseits die anderen Parteien vorführen, SPD und Grüne. Und er will natürlich auch der AfD das zentrale Thema der Migration abnehmen, indem er sagt: 'Wir sind diejenigen, die zu einer Entscheidung kommen.'
Albrecht von Lucke, Politologe
Dass die Vorschläge der Union möglicherweise mit AfD-Stimmen im Bundestag angenommen werden könnten, sieht von Lucke als ein großes Risiko. Bis Ende des letzten Jahres habe sich der Kanzlerkandidat der Christdemokrat:innen gegen die Verabschiedung von Gesetzen mit AfD-Stimmen ausgesprochen, jetzt aber nicht mehr. "Damit setzt Friedrich Merz alles auf eine Karte. Er will einerseits die anderen Parteien vorführen, SPD und Grüne. Und er will natürlich auch der AfD das zentrale Thema der Migration abnehmen, indem er sagt: 'Wir sind diejenigen, die zu einer Entscheidung kommen.'"
Scholz kontert mit Brandmauer-Argument
Der Bundeskanzler hingegen zielt dem Experten zufolge darauf ab, die Glaubwürdigkeit des Unionskanzlerkandidaten infrage zu stellen. "Olaf Scholz versucht jetzt, das Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber Friedrich Merz zu vergrößern, indem er sagt: 'Wenn Friedrich Merz von der einen Behauptung abgerückt ist, nicht Gesetze mit der AfD zu verabschieden, dann ist er im Notfall auch bereit, mit der AfD zu koalieren.'"