Eine Million Tonnen Getreide fehlen
Nordkorea steuert auf schwere Hungersnot zu
- Aktualisiert: 02.03.2023
- 10:26 Uhr
- Lena Glöckner
In Nordkorea verschärft sich offenbar die Ernährungslage. Wie schlimm es ist, lässt sich schwer abschätzen. Allerdings glauben Experten, das Regime stehe vor der schlimmsten Hungerkrise, seit Kim Jong Un an der Macht ist.
Das Wichtigste in Kürze
Meldungen aus Nordkorea heizen Gerüchte an, dass das Land vor einer beispiellosen Hungerkrise steht.
Die Regierungspartei tagt aktuell, um "Ideen zur Lösung der Nahrungsmittelknappheit" zu sammeln.
Experten glauben, dass Nordkorea vor der gravierendsten Situation seit Machtübernahme von Kim Jong Un steht.
Hinweise auf eine beispiellose Hungerkrise in Nordkorea verdichten sich - sogar das Regime spricht von einer "sehr wichtigen und dringenden Aufgabe" in der Agrarpolitik. Die Regierungspartei in Pjöngjang tagt laut der Nachrichtenagentur AP seit Sonntag (26. Februar). Das Parteitreffen sei offenbar angesetzt worden, "um den internen Zusammenhalt zu festigen und gleichzeitig Ideen zur Lösung der Nahrungsmittelknappheit zu sammeln".
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Ein "Wendepunkt" sei erforderlich, "um einen radikalen Wandel in der landwirtschaftlichen Entwicklung dynamisch voranzutreiben", hieß es. Für Kim Jong Un ist das Versorgungsthema dringlich. Er könne sein Atomprogramm nicht stabil vorantreiben, wenn es ihm nicht gelinge, das Nahrungsmittelproblem grundlegend zu lösen, erklärt auch Lim Eul Chul vom Institut für Fernost-Studien an der Kyungnam-Universität in Seoul. Denn dann wäre die öffentliche Unterstützung erschüttert.
Nordkorea offenbar vor der schlimmsten Ernährungslage seit Machtübernahme
Aus dem südkoreanischen Vereinigungsministerium heißt es, dass schon eine unbekannte Zahl an Menschen in Nordkorea an Hunger gestorben sei. Die Situation sei aber nicht so ernst wie bei der Hungersnot Mitte der 1990er Jahre. Das aktuelle Problem sei eher eine Frage der Verteilung als ein absoluter Mangel an Getreide. Der Ökonom Kwon Tae Jin vom GS&J-Institut in Südkorea sagt: "Ich glaube, dass Nordkorea in diesem Jahr vor der schlimmsten Ernährungslage seit der Machtübernahme von Kim Jong Un steht." Allerdings hält er es für unwahrscheinlich, dass die aktuelle Knappheit zu einer hohen Todeszahl führt. Denn auf den Märkten seien Lebensmittel noch erhältlich - wenn auch zu hohen Preisen.
"Sollte Nordkorea tatsächlich sehen, dass die Menschen vor Hunger sterben und ein Chaos droht, würde es nicht öffentlich Dinge sagen, wie 'eine sehr wichtige und dringende Aufgabe'", lautet auch die Einschätzung von Ahn Kyung Su, verantwortlich für die Website dprkhealth.org, die sich mit Gesundheitsfragen in Nordkorea befasst.
Eine Million Tonnen Getreide zu wenig
Als er Ende 2011 die Nachfolge seines Vaters als Staatschef antrat, verkündete Kim Jong Un noch, dass die Nordkoreaner "nie wieder den Gürtel enger schnallen" müssten. In den ersten Jahren seiner Regierungszeit verzeichnete die Wirtschaft dann ein bescheidenes Wachstum, nachdem Kim sich leicht einigen marktwirtschaftlichen Aktivitäten geöffnet und Exporte von Kohle und anderen Mineralien nach China, dem wichtigsten Verbündeten und größten Handelspartner, gesteigert hatte.
In jüngster Zeit haben jedoch schärfere internationale Sanktionen wegen Kims Atomprogramm, die Pandemie-Beschränkungen und Misswirtschaft einen hohen wirtschaftlichen Tribut gefordert. Südkoreanischen Schätzungen zufolge belief sich die Getreideproduktion Nordkoreas im vergangenen Jahr auf etwa 4,5 Millionen Tonnen, einige Prozent weniger als im Vorjahr. Für die zurückliegenden zehn Jahre wird die Produktion auf jeweils 4,4 bis 4,8 Millionen Tonnen geschätzt. Um seine rund 25 Millionen Einwohner zu ernähren, braucht der Norden aber etwa 5,5 Millionen Tonnen Getreide.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur AP