Neue Gesetzeslage
Neues Lieferkettengesetz: Auf diese Regeln müssen Unternehmen achten
- Veröffentlicht: 17.01.2023
- 12:01 Uhr
- Clarissa Yigit
Das seit Beginn des Jahres in Kraft getretene "Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz" soll Unternehmen in die Pflicht nehmen, die Arbeitsbedingungen bei Zulieferern deutscher Firmen zu verbessern. Allerdings sind viele Firmen nur mittelmäßig bis schlecht auf das Gesetz eingestellt.
Das Wichtigste in Kürze
Seit dem 1. Januar gilt das erste deutsche "Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz".
Es soll helfen, die Arbeitsbedingungen bei Zulieferern deutscher Firmen zu verbessern.
Kritik kommt von Wirtschaft- und Umweltverbänden.
Das erste deutsche "Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz" (kurz: Lieferkettengesetz) ist seit dem 1. Januar in Kraft getreten. Dieses neue Gesetz gilt zunächst nur für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeiter:innen – ab 1. Januar 2024 auch für Firmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitenden – und soll helfen, die Arbeitsbedingungen bei Zulieferern deutscher Firmen zu verbessern. Betroffen sind davon laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) rund 900 Betriebe. Bisher hapert es allerdings noch in der Umsetzung und der Erfolg bleibt aus.
Welche Pflichten obliegen den Unternehmen?
Das neue Gesetz verpflichtet Unternehmen, bestimmte Maßnahmen bei sich im Betrieb und ihren Lieferanten umzusetzen. Vor allem die Erfüllung im sorgfältigen Umgang mit den Rechten von Menschen und Umwelt steht im Vordergrund.
Die Unternehmen sind nun verpflichtet, regelmäßig eine Risikoanalyse aller direkten Zulieferer durchzuführen. Aber auch ein Risikomanagement sowie einen Beschwerdemechanismus aufzusetzen und öffentlich darüber zu berichten, gehören nun ebenfalls zu den Aufgaben eines größeren Betriebes.
Präventivmaßnahmen zum Schutz von Mensch und Umwelt müssen ebenfalls gewährt werden. Treten also im eigenen Geschäftsbereich oder bei unmittelbaren Zulieferern Verletzungen auf, steht somit das Unternehmen laut Gesetz in der Pflicht, unverzüglich angemessene Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, "um diese Verletzung zu verhindern, zu beenden oder das Ausmaß der Verletzung zu minimieren", wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet.
Studie deckt Kritikpunkte auf
So weit, so gut. Allerdings läuft die Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes nur schleppend voran. Wie die Ergebnisse einer Studie des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) und des Risikomanagement-Unternehmens "Integrity Next" belegen, seien viele Unternehmen nur mittelmäßig bis schlecht auf das seit 1. Januar geltende Gesetz eingestellt.
So gaben etwa vier Prozent der befragten Unternehmen in der Studie an, die der Redaktion "rbb24 Recherche" exklusiv vorliegt, "dass sie auf der organisatorischen Ebene sehr gut darauf vorbereitet seien. Lediglich 13 Prozent der Unternehmen hätten volle Transparenz, wenn es um Risiken wie mögliche Menschenrechtsverletzungen bei ihren unmittelbaren Geschäftspartnern geht und nur sechs Prozent der Unternehmen fühlen sich beispielsweise in Sachen Präventionsmaßnahmen sehr gut aufgestellt.
"Es ist tatsächlich so, dass da oft eingekauft wird, ohne dass irgendeine Strategie- oder Nachhaltigkeitsabteilung das sieht und weiß. Und sehr viele, das Gros der Lieferketten, sind tatsächlich im Nebel", kritisiert Nick Heine, Mitgründer von Integrity Next.
Von den knapp 10.000 Mitgliedern – aus allen Branchen – des BME beteiligten sich rund 250 Mitgliedsunternehmen an der Umfrage.
Kritik an BAFA
Der BME übt zudem Kritik an der späten Konkretisierung des Gesetzes durch die kontrollierende Behörde, das "Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle" (BAFA). So hatte das BAFA erst ab August 2022 damit begonnen, eine erste Handreichung herauszugeben und das auch nur für einen Einzelaspekt des Gesetzes. Weitere folgten im Oktober und Dezember 2022 – alles in allem recht spät.
Auch könne das BAFA bislang keine genauen Angaben machen, bei wie vielen Firmen es zukünftig die Einhaltung des Gesetzes beaufsichtigen muss. Wie das Amt auf schriftliche Anfrage von "rbb24 Recherche" mitteilte, werden die Unternehmen, die gegenwärtig unter das Lieferkettengesetz fallen, auf circa 1.300 geschätzt.
Kritik auch von Wirtschafts- und Umweltverbänden
Karl Haeusgen, Präsident des "Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbaus", kritisiert, dass Firmen Berichte für alle einsehbar machen müssten – auch für Wettbewerber. "Hier wird die Handlungsfähigkeit des industriellen Mittelstands aufs Spiel gesetzt. Das wird zum Rückzug unserer Unternehmen aus ganzen Ländern führen und damit ist den Menschen vor Ort geschadet und nicht geholfen", so Haeusgen.
Viola Wohlgemuth von "Greenpeace" hingegen moniert, dass man nur dann eingreifen könne, wenn Menschen durch die Umweltzerstörung von Firmen gesundheitliche Schäden erleiden. "Und das ist quasi unmöglich vor Gerichten nachzuweisen, gerade für die Betroffenen in den Produktionsländern." So habe die Industrielobby das Gesetz extrem ausgehöhlt. Zudem gebe es keine eigenständigen umweltbezogenen Sorgfaltspflichten.
Beate Streicher von der Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" kreidet an, dass das Gesetz nur sehr große Unternehmen erfasse. Zudem fehle eine Regelung der zivilrechtlichen Haftung.
Wäre es ohne Gesetz besser?
Vermutlich nicht, denn 56 Prozent gaben in der Studie an, dass die Motivation zur Berücksichtigung von menschenrechtlichen und Umweltrisiken entlang ihrer Lieferketten lediglich die Einhaltung von Gesetzen sei.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa