Achtjährige ermordet
Das Schweigen von Tavsantepe: Türkisches Dorf nach Mord an kleiner Narin unter Verdacht
- Veröffentlicht: 24.09.2024
- 16:15 Uhr
- Benedikt Rammer
In einem abgelegenen Dorf in der Türkei hüllt sich die Gemeinschaft in Schweigen nach dem tragischen Mord an einer Achtjährigen. Trotz der Verhaftung mehrerer Familienmitglieder bleiben viele Fragen unbeantwortet.
Das Wichtigste in Kürze
Der Mord an der achtjährigen Narin Güran hat das kleine Dorf Tavsantepe in der Türkei erschüttert und landesweite Aufmerksamkeit erregt.
Narins Leiche wurde in einem Sack am Rande eines Flusses entdeckt, was die Grausamkeit des Verbrechens unterstreicht.
Trotz mehrerer Festnahmen herrscht im Dorf ein tiefes Schweigen, und die Ermittlungen werden durch die mangelnde Kooperation der Dorfgemeinschaft erschwert.
Das kleine Dorf Tavsantepe in der Türkei, das bis vor Kurzem kaum jemand kannte, steht nun im Rampenlicht einer nationalen Tragödie. Die achtjährige Narin Güran verschwand am 21. August und wurde 19 Tage später tot aufgefunden, was eine Welle der Bestürzung über das Land brachte. Ihre Leiche wurde versteckt in einem Sack am Rande eines Flusses gefunden, einem Ort, der normalerweise von Stille geprägt ist. Der Sender CNN-Türk berichtete unter Berufung auf den vorläufigen Autopsiebericht, dass die Leiche teils stark verwest sei. Außerdem sei ein Bein unterhalb des Knies gebrochen. Hinweise auf sexuellen Missbrauch habe es zunächst nicht gegeben.
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Mutter und Onkel des Opfers festgenommen
"Das gesamte Dorf wusste, was mit Narin geschehen war", sagt ein Mitglied des Ermittlungsteams, das mit der "Deutschen Welle" (DW) sprach. Trotz der Festnahme mehrerer Personen aus Narins direktem familiären Umfeld, darunter Narins Mutter, ihr Bruder, ihr Onkel und andere enge Verwandte, bleibt die Gemeinde stumm. Insgesamt gibt es 24 Festnahmen. Viele Fragen sind noch offen, unter anderem steht die Todesursache bislang nicht fest. Unklar ist zudem noch, weshalb bis zu dem Fund der Leiche 19 Tage vergehen konnten.
Narins Onkel war bereits wegen des Verdachts des Mordes und der Freiheitsberaubung verhaftet worden. Er gilt als Hauptverdächtiger. In seinem Auto wurden Berichten zufolge DNA-Spuren gefunden, die darauf hinweisen, dass Narins Leiche in dem Fahrzeug gelegen habe.
Der sonst so stille Friedhof von Tavsantepe ist zu einer Pilgerstätte geworden, wo täglich Hunderte von Menschen zusammenkommen, um Narin zu gedenken. Sie beten, rezitieren Suren aus dem Koran und drücken ihre Wut und Trauer aus. Über Narins Grab weht eine türkische Flagge, und am Fuß des neu gepflanzten Olivenbaums sammeln sich Beileidsbekundungen und Kinderzeichnungen. Ahmet Aydın aus Diyarbakir bringt die Stimmung gegenüber "DW" auf den Punkt: "Kann es sein, dass niemand im ganzen Dorf Bescheid weiß? Irgendjemand muss doch sein Schweigen brechen und erzählen, was geschehen ist."
Ermittlungen im Schatten des Schweigens
Die Ermittler stehen vor einer großen Herausforderung, da das Dorf geschlossen zu schweigen scheint. Ein Mitglied des Ermittlungsteams berichtet gegenüber "Deutscher Welle": "Narin wurde im Zuge eines plötzlichen Vorfalls im Dorf, den wir noch nicht kennen, getötet. Der Familienrat traf sich anschließend und beschloss, alles unter Verschluss zu halten. Das ist der Grund für das Schweigen, mit dem wir konfrontiert sind."
Die Familie Güran hat das Dorf unterdessen verlassen, und ihr Haus bleibt unbewohnt. In den mutmaßlichen Mordfall hat sich inzwischen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan eingeschaltet. Er werde dafür sorgen, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden und den Fall persönlich verfolgen, schrieb er auf der Plattform X.
- Verwendete Quellen:
- Deutsche Welle: "Mord an Kind in der Türkei: Das schweigende Dorf"
- Nachrichtenagentur dpa