FEIER IN RUSSISCHER BOTSCHAFT
Chat-Nachrichten geleakt: So spricht die AfD intern über Russland
- Veröffentlicht: 12.05.2023
- 17:12 Uhr
Jetzt hat die Feier zum "Tag des Sieges" in der Russischen Botschaft Berlin doch noch ein Nachspiel. Ex-Kanzler Schröder wird heftig für seine Teilnahme kritisiert - die anwesenden AfD-Politiker ebenso. Aber in einem internen Partei-Chat, der nun geleakt wurde.
Das Wichtigste in Kürze
Am 9. Mai feierte Ex-Kanzler Gerhard Schröder zusammen mit AfD-Politikern den "Tag des Sieges" über Nazi-Deutschland in der russischen Botschaft Berlin.
In einer Chatgruppe von AfD-Bundestagsabgeordneten wurde sich nun heftig über Tino Chrupallas Auftritt bei dieser Gedenkfeier ausgetauscht.
Der Chat zeigt, wie die AfD intern tatsächlich über Russland spricht.
Dem Magazin "ZDF Frontal" ist ein äußerst spannender Fang ins Netz gegangen: Ein AfD-User habe rechtzeitig vor Löschung eines AfD-Chats Screenshots anfertigen können und hat diese dem Sender übergeben. Erstaunlich, was da zu lesen ist - denn die rechte Partei ist eigentlich dafür bekannt, gegen Russenfeindlichkeit zu sein und für gute Beziehungen zu Moskau.
Im Video: Altkanzler Schröder feiert mit AfD-Politikern in russischer Botschaft
Der "Tatortreiniger" kam zu spät
Eigentlich sei bei der AfD ein eigener Administrator - auch "Tatortreiniger" genannt - im Einsatz, um die fraktionsinterne Chatgruppe "Quasselgruppe" von brisanten Diskussionsbeiträgen und Posts zu säubern. Dieser Aufgabe sei ein AfD-User zuvorgekommen und habe Screenshots von pikanten Chat-Äußerungen durch AfD-Bundestagsabgeordnete gemacht, die zum Besuch von Fraktions- und Parteichef Tino Chrupalla und dem AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland in der russischen Botschaft getätigt wurden. Entsponnen haben soll sich alles wegen eines Artikels der "Berliner Zeitung" und Fotos, auf denen Chrupalla dem russischen Botschafter ein Geschenk überreicht.
Der Artikel in der "Berliner Zeitung" provozierte bei den Bundestagsabgeordneten der AfD heftige Reaktionen. Neben der Frage, ob man in der Partei noch richtig verortet sei, sei von einem anderen AfDler zu lesen: "Diese Verharmlosung der millionenfachen systematischen schweren Kriegsverbrechen (Mord, Vergewaltigung, Vertreibung) der Sowjets kann man Patrioten nicht erklären. Die Unterstützung Russlands kann man 85% der Westdeutschen nicht erklären."
Der gleiche Abgeordnete soll rhetorisch weiter gefragt haben: "Wen gewinnt man damit als Unterstützer? Ah, im Artikel steht es ja: Egon Krenz und Klaus Ernst, Mauermörder und deren geistige Nachfolger. Sind unsere Umfragewerte wieder zu gut, dass wieder so eine Aktion sein musste?"
Besonders Chrupalla steht unter Beschuss. Sogar von einer Sonderfraktionssitzung sei die Rede: "Tino und Herr Gauland mögen sich erklären. Ich habe den Eindruck, wir haben hier grundverschiedene Ansichten, warum wir das hier alles eigentlich machen", schreibt einer der Chat-Teilnehmer. Ein weiterer greift Chrupalla persönlich an: "Ich bin fassungslos ob solcher Selbstverleugnung oder alternativ solcher Naivität."
Auch Rassismus ist im AfD-Chat salonfähig
Auch für Rassismus ist genügend Raum im AfD-Chat, wie ein Kommentar zu dem Bild der Geschenkübergabe von Chrupalla an den russischen Botschafter zeige: "Ihr habt uns 1/3 unseres Staatsgebiets geraubt, Millionen Deutsche vertrieben, unzählige Frauen vergewaltigt und das Land ausgeplündert. Wir wollen das mit euch feiern. Unsere Wähler in LOS (Anmerkung: Landkreis Oder-Spree) finden das auch gut. Hier ein kleines Präsent für euch!" Auch der Bundestagsabgeordnete Jan Wenzel Schmidt habe sich weniger zurückhaltend geäußert: "Am Tag der Schande vor den Vergewaltigern zu knien geht gar nicht!" Ein anderer Kollege habe die Äußerung so kommentiert: "Ein Deutscher sollte nur vor Gott und seiner Frau knien."
Chrupalla hingegen redet in einem Tweet von "Frieden und Aussöhnung" und versucht seinen Besuch in der russischen Botschaft zu rechtfertigen. Seine Parteifreunde sprechen vom "Tag der Schande". Das zeigt, wie zerrissen die Partei ist: öffentlich zeigt sie Verständnis für den Angriffskrieg Putins - intern verachtet sie die Rote Armee abgrundtief, weil sie Hitler besiegte, wie "ZDF Frontal" schreibt.
Der stellvertretende Fraktionschef Norbert Kleinwächter habe ergänzt: "Jeder, Freund wie Feind, würde Tinos Rücktritt von allen Ämtern begrüßen. Ich fordere ihn nicht, hielte ihn aber für einen Segen für unsere Partei und Fraktion."
- Verwendete Quellen:
- Berliner Zeitung: "Jahrestag des Sieges über die Nazis: Empfang in der russischen Botschaft"
- Twitter: Tino_Chrupalla