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Sexualmord in Perugia

Amanda Knox zieht wieder vor Gericht - die Geschichte vom "Engel mit den Eisaugen"

  • Veröffentlicht: 12.04.2024
  • 17:17 Uhr
  • Stefan Kendzia
Für den Mord an einer Studentin, für den Amanda Knox vier Jahre unschuldig eingesessen hatte, will sie nun die finale Gerechtigkeit: Einen völligen Freispruch durch die italienische Justiz.
Für den Mord an einer Studentin, für den Amanda Knox vier Jahre unschuldig eingesessen hatte, will sie nun die finale Gerechtigkeit: Einen völligen Freispruch durch die italienische Justiz.© AP

Amanda Knox - ein Prozess in mehreren Akten. 2009 als Mörderin an einer Studentin verurteilt, wurde sie später sogar zweimal freigesprochen. Jetzt zieht sie erneut vor Gericht für einen weiteren Freispruch. 

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Inhalt

Die als "Engel mit den Eisaugen" bekannt gewordene US-Amerikanerin Amanda Knox kämpft seit dem Mord an ihrer Mitbewohnerin im Jahr 2007 und ihrer damaligen Verurteilung für ihre Rehabilitation. Das Urteil wegen Mord wurde nach vierjähriger Haft wegen erwiesener Unschuld der Angeklagten aufgehoben, ein weiteres Urteil wegen Verleumdung aber lediglich gekippt.

Mit einem neuen Prozess in Perugia will Knox nun einen endgültigen Freispruch durch die italienische Justiz erreichen, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) mitteilt.

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Der Mord an der Studentin Meredith Kercher

 Am 1. November 2007 ereignete sich in der mittelalterlichen Stadt Perugia ein grauenvoller Mord: Die britische Austauschstudentin Meredith Kercher war einen Tag nach der Tat halbnackt, von Dutzenden Messerstichen übersät und mit durchschnittener Kehle in ihrer Wohngemeinschaft in Perugia aufgefunden worden.

Als Täter:innen dieses Mordes wurden schnell mehrere Personen identifiziert: Die damalige Mitbewohnerin Merediths, die 20-jährige Amanda Knox, ihr damals 23 Jahre alter Freund Raffaele Sollecito, sowie der von der Elfenbeinküste stammende Rudy Guédé, dessen DNA am Tatort in Perugia gefunden worden war. Direkt nach der Tat fuhr Guédé damals mit dem Zug nach Deutschland und tauschte sich über Facebook mit einem englischen Journalisten über den Mord aus. Er wurde am 20. November 2007 in Mainz von der deutschen Polizei verhaftet.

Wenige Tage zuvor, am 6. November 2007, kam es zur Festnahme des Pärchens Knox und Sollecito. Während ihres Verhörs belastete Knox eine weitere Person, den Kongolesen Diya "Patrick" Lumumba, der daraufhin ebenfalls festgenommen wurde. Er kam aber nach zwei Wochen Untersuchungshaft wieder frei, weil er für die Tatnacht ein Alibi vorweisen konnte.

Die Verurteilung im Sexualmord

Das erste Urteil erhielt in einem gesonderten Verfahren der Ivorer Rudy Guédé. Das Gericht verurteilte ihn 2008 aufgrund eines Teilgeständnisses und eines DNA-Nachweises unter anderem wegen Vergewaltigung und Mord zu einer Haftstrafe von 30 Jahren. In zweiter Instanz wurde Guédés Strafe ein Jahr später unter Berücksichtigung mehrerer strafmildernder Umstände auf 16 Jahre Haft reduziert. Der Verurteilte wurde im November 2021, nach 14 Jahren Haft, wegen guter Führung vorzeitig entlassen. Guédé hatte stets - wie Amanda Knox - seine Unschuld beteuert.

Für Amanda Knox und Raffaele Sollecito kam im Dezember 2009 der Urteilsspruch in einem spektakulären Indizienprozess: Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslange Haft für beide Angeklagten verlangt und unter anderem auf belastende DNA-Spuren am Tatmesser und am BH der Toten hingewiesen. Die Verteidiger plädierten hingegen auf Freispruch "aus Mangel an Beweisen". Die Geschworenen des Gerichts von Perugia befanden die beiden dann doch für schuldig.

Das Gericht hatte es als erwiesen angesehen, dass Knox und Sollecito das Opfer unter Einfluss von Drogen und Alkohol getötet haben sollen, während Guédé, ebenfalls berauscht, die Arme des Opfers festgehalten haben soll. Knox erhielt 26 Jahre Haft, ihr italienischer Ex-Freund Sollecito sollte für 25 Jahre ins Gefängnis. Die Strafe für die US-Amerikanerin aus Seattle fiel um ein Jahr höher aus, weil sie nach dem Mord den Barmann Patrick Diya Lumumba als Täter verleumdet hatte.

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Erster Freispruch

Drei Jahre nach dem Urteil sollte die juristische Achterbahn erst so richtig Fahrt aufnehmen. Zunächst wurde das verurteilte Ex-Pärchen am 3. Oktober 2011 durch das Berufungsschwurgericht Perugia freigesprochen: Die Urteile gegen Sollecito und Knox wurden aufgehoben. Beide hätten die Tat "nicht begangen". In dem Berufungsverfahren äußerten unabhängige Experten ernsthafte Zweifel an den DNA-Tests, die zur Verurteilung von Knox und Sollecito geführt hatten.

Es blieb beiden nur wenig Zeit zum Durchatmen. Auch wenn Amanda Knox direkt nach ihrem Freispruch Italien verließ und wieder in die USA zurückkehrte, wurde der Freispruch eineinhalb Jahre später schon wieder kassiert. Nach einem neuerlichen Rekurs, diesmal durch die Staatsanwaltschaft, kam es am 26. März 2013 zu einer Aufhebung beider Freisprüche durch das Kassationsgericht in Rom. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens wurde verfügt. Am 30. Januar 2014 war es dann so weit: Knox wurde in Abwesenheit zu 28 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt, Raffaele Sollecito zu 25 Jahren.

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Zweiter Freispruch

Am 27. März 2015 folgte dann das vorerst letzte Kapitel im Mordprozess um Meredith Kercher. Nach vielen Jahren und langem Hin und Her konnte sich der oberste Gerichtshof Italiens dazu durchringen, beide Verurteilte in letzter Instanz von der Anklage wegen Mordes freizusprechen. Das Gericht sah es laut "BBC" als erwiesen an, dass keine biologischen Spuren der Angeklagten Knox und Sollecito im Zimmer des Mordopfers zu finden gewesen seien, und es bemängelt die schlechte Qualität des gesamten Strafverfahrens und skizzierte die massiven Fehler bei den Ermittlungsarbeiten zu dem Fall.

Die Verurteilung Knox' wegen Verleumdung eines Dritten (Diya "Patrick" Lumumba), den Mord begangen zu haben, wurde bestätigt, aber durch die bereits vierjährige Inhaftierung als abgegolten eingestuft. Haarsträubend: Zudem soll das Gericht im vorhergehenden Urteil Gutachten teilweise ignoriert, Ermittlungsarbeiten fehlinterpretiert und Beweismittel falsch behandelt haben. Dadurch soll es unter anderem zur Kontaminierung mit fremder DNS gekommen sein. 

Am 23. Januar 2019 erfolgte dann eine aufsehenerregende Entscheidung: der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg verurteilte den italienischen Staat zu einer Entschädigungszahlung an Knox in Höhe von 18.000 Euro. Die italienischen Behörden hätten bei der Befragung von Knox mehrere Menschenrechte verletzt, so der EGMR. Man sei nicht den Anschuldigungen Knox' nachgegangen, sie sei von der Polizei geschlagen und unter Druck gesetzt worden: Insgesamt habe Italien damit das Recht auf ein faires Verfahren und gegen das Misshandlungsverbot verstoßen, wie die "Süddeutsche" berichtete.

Knox will endlich einen völligen Freispruch

Mit dem neuen Prozess will Knox nun einen völligen Freispruch durch die italienische Justiz erreichen. Es geht ihr um das Urteil der Verleumdung gegen Patrick Diya Lumumba, den sie belastet hatte, obwohl sie um dessen Unschuld gewusst haben soll. Die US-Amerikanerin begründete ihre damalige Falschaussage damit, dass sie nach dem Fund der Leiche unter Schock gestanden habe und von der Polizei geschlagen worden sei: "Ich wurde 53 Stunden innerhalb von fünf Tagen verhört, ohne Anwalt, in einer Sprache, die ich vielleicht so gut verstand wie eine Zehnjährige. Als ich der Polizei sagte, dass ich keine Ahnung habe, wer Meredith getötet hat, schlug man mir auf den Hinterkopf und sagte mir, ich solle mich 'erinnern'", so Knox.

Das Urteil wurde 2019 vom EGMR lediglich "gekippt". Knox geht es aber um mehr - nämlich um den restlosen Freispruch, um ihre Rehabilitation. Aus diesem Grund beschäftigt sich jetzt das Berufungsgericht in Perugia mit der Frage, ob die Verurteilung wegen Verleumdung überhaupt rechtens war. Dem Auftakt des neuen Prozesses blieb Knox fern.

Wer Meredith Kercher damals in Perugia ermordete, ist bis heute nicht geklärt. Dennoch wurden vor allem in Italien immer wieder Zweifel laut, ob Knox nicht doch an der Tat beteiligt gewesen sein könnte.

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Das macht Amanda Knox heute

Der aufregende wie grauenhafte Mordfall um Amanda Knox weckt auch heute noch weltweit das Interesse. Ihre Geschichte diente als Grundlage für mehrere Bücher, Filme und sogar für eine Serie. Die längst wieder in den USA lebende Knox ist Mutter von zwei Kindern und arbeitet als Aktivistin und Podcasterin zu Schwerpunktthemen wie Strafrechtsreformen und erzwungenen Geständnisse, wie das ZDF zusammenfasst.

  • Verwendete Quellen:
  • Nachrichtenagentur dpa
  • BBC: "Court criticises 'glaring errors' in Kercher probe"
  • Süddeutsche: "Italien muss Amanda Knox entschädigen"
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