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The Dirty Image Of Clean Girls

Warum ist TikToks "Clean Girl"-Ästhetik so problematisch?

  • Aktualisiert: 20.09.2023
  • 17:17 Uhr
  • Johanna Holzer
"Clean Girl" Kendall Jenner gilt als eine der Vorreiterinnen des Looks.
"Clean Girl" Kendall Jenner gilt als eine der Vorreiterinnen des Looks.© picture alliance / abaca | Shootpix/ABACA

Der Trend, der unsere TikTok-For-You-Page monatelang dominiert hatte, wurde plötzlich durch einen viralen Tweet ins Wanken gebracht. Als das Schönheitsbild der Clean Girls plötzlich als klassistisch, rassistisch und fatphobic bezeichnet wurde. Sehen wir uns an, was passiert ist. Woher kommen die Clean Girls? Was steckt hinter dem Begriff? Warum ist der Trend so problematisch?

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Wer sind Clean Girls?

"You know those girls that always look clean? Their skin is always glossed, and they never look like they're wearing too much makeup? You may not be them, but here's how to get their look."

Dies ist ein Trend-Sound, der es mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit schon auf eure TikTok-FYP geschafft hat (danke Algorithmus). Selbst Nicht-TikTok-User:innen sind der Stimme bestimmt schon auf Instagram begegnet. Denn anders als andere Beauty-Trends, Hacks und Tutorials sind die Clean Girls nicht nach vier Wochen wieder vergessen gewesen, sondern haben sich lange gehalten und sind immer noch in der Beauty-Agenda präsent. Der Text des Trend-Sounds beschreibt schließlich auch schon sehr gut wie Clean Girls aussehen und die Message, die sie mit ihren Videos verbreiten.

Ihre Haut leuchtet, gepflegt, glatt und prall. Ihre Poren sind kaum zu sehen, sie haben keine Pickel. Ihre Wangen sind rosig, ihre Lippen glossy, ihre Wimpern und Augenbrauen perfekt in Form und lückenlos. Die Haare sind in Sleek Buns geknotet, glänzend, kräftig und gepflegt. Während zarter Goldschmuck und ein Hauch von einem frischen blumigen Duft den Look abrundet.

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Im Clip: Der perfekte Sleek Bun

So gelingt der perfekte Sleek Bun

Laut TikTok verwendet das Clean Girl nur getönte Feuchtigkeitscreme oder BB-Cream, etwas Augenbrauengel, natürlich aussehendes Rouge sowie Lip Balm, Tints und Öle. Der Look erinnert an den "You, but better"-Trend, den Glossier angestoßen hatte. Bevor auch die so sehr gehypte Brand nach schweren Rassismus-Vorwürfen aus dem TikTok-Olymp verstoßen wurde.

Der Trend ist auch mit dem Hashtag #thatgirlaesthetic verknüpft, bei dem es nicht nur um ein perfektes, minimalistisches Make-up geht, sondern über Beauty hinaus auch noch um ein perfekt organisiertes Leben, das laut That-Girl-Ästhetik aus gesunder Ernährung, Sport und einem aufgeräumten Zuhause besteht.

Klingt anstrengend? Ja, aber nicht nur das. Denn diese Inszenierung in den sozialen Netzwerken, egal ob als porenloses Clean Girl mit strahlendem Teint oder als durchtrainiertes, Smoothie schlürfendes "That Girl" mit Traumwohnung, erzeugt Druck und Erwartungshaltungen und das alles auf Basis einer verzerrten Darstellung auf Social Media, die garantiert nicht der Realität entspricht.

Übrigens: Ein gefährlicher Trend macht auf TikTok die Runde. Wieso Salt Water Flushes keine gute Idee sind, lest ihr hier. Außerdem erfahrt ihr hier, weshalb Hailey Biebers Lieblingslippen-Kombi "Brownie Glazed Lips" unter kulturelle Aneignung fällt. Face Taping statt Botox? Hier gibt es alle Infos zum neuesten Anti-Aging-Trend.

Woher kommen Clean Girls?

Die Idee des "Clean Look" gibt es tatsächlich schon lange. Allerdings wurde sie lange Zeit von People of Color und Latinas verkörpert. Sie waren es, die Sleek Buns und eingeölte Haut zu ihrem Signature-Look gemacht hatten. Dieser wurde nun von - hauptsächlich weißen TikToker:innen - vereinnahmt und on top als neuer Trend verkauft.

Tatsächlich ist die Verwunderung unter dunkelhäutigen Frauen, Latinas und POC groß, als der Look, der ihnen so vertraut ist, plötzlich als viraler Trend gefeiert wird. Der Unterschied zwischen beiden Looks ist trotzdem groß. Sleek Buns dienten bisher häufig dazu, Locken, Wellen und dichte Haare mit Struktur zu frisieren und in eine Form zu bringen, die ihre natürliche Struktur verstecken sollte. Aber das ist wieder ein anderes Problem. Plötzlich waren Sleek Buns ein harmloser Trend, der zudem auch noch Natürlichkeit promoten sollte. 

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Was ist nun das Problem mit den Clean Girls?

Was Clean Girls eigentlich zeigen wollen, ist wie man sich "clean" stylt, "clean" pflegt und "clean" isst. Was sie stattdessen gezeigt haben, ist, wie tief verankert ausgrenzende eurozentrische Sicherheitsstandards heute immer noch sind. Das vorgeführte Ideal der "sauberen Schönheit" ist nur das jüngste Beispiel von hierarchischen Schönheitsnormen, die sich nur schleppend aufzulösen scheinen. Der große Hype um den Look spiegelt wie stark präsent sie eigentlich immer noch sind und wie klassifizierend, unerreichbar, teuer, rassistisch, texturistisch oder fatphobic. 

Jahrelang war dies das Prinzip, nach dem das Geschäft mit den Influencer:innen - zumindest zum größten Teil, Ausnahmen gab es immer. Die Social Media Stars zeigten ein unerreichbares Bild von makelloser Schönheit, materiellen Besitzes, eines scheinbar perfekten Lifestyles sowie beruflichen oder sonstigen Erfolg. Auf der anderen Seite des Screens ließen sich Follower davon verzaubern und gleichzeitig unter Druck setzen, abwerten und ausgrenzen.

Inspirierend waren die Accounts nur für diejenigen, die dem dargestellten Bild sowieso schon sehr ähnlich waren, die der Ästhetik entsprachen, die finanziellen Mittel schon hatten oder die gleichen Werte sowieso schon vertraten. Im besten Fall waren Influencer:innen also unterhaltsam. Einige waren sogar informativ. In den allermeisten Fällen aber waren sie belastend mit ihren unerreichbaren Idealen.

In diese Kerbe schlugen die Clean Girls. Vorbereitet war der Weg von That Girl, von Hashtags wie #wokeuplikethis, und von Posts mit dem Titel "Ein Tag in meinem Leben" oder "Meine Morgenroutine". Sie alle hielten eine Fassade aufrecht, die ein makelloses aber eben mühelos makelloses Leben zeigte. Wie viel Arbeit, Zeit, Energie und Inszenierungsaufwand hinter der Darstellung steckt, müssen wir wohl nicht ausführen. Viel lieber wollen wir uns darauf konzentrieren, was diese Darstellung bei Empfänger:innen auslöst.

Das Clean Girl ebenso wie That Girl sind die Gesichter westlicher und elitärer Ideale. Indem sie den ungeschminkten Look als sauber bezeichnen, wird damit suggeriert, dass alles andere schmutzig - oder zumindest nicht sauber ist. Andere Hautfarben, andere Hauttexturen und Hauttypen, Hautkrankheiten, andere Körperformen, aber genauso auch anderes Empfinden für Ästhetik. Experimentelle Looks, ein eigener charakteristischer Style mit Persönlichkeit, sich mit Farben, Frisuren und Make-up auszudrücken, all das wird abgelehnt für den minimalistischen Clean Look.

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Es ist kein Zufall, dass diese Interpretation von Ästhetik von weißen Frauen geprägt und verkörpert wird. Sauberkeit und Zurückhaltung, sind seit jeher Tugenden und Ideale, die allen weiblichen Wesen aufgezwungen und vor allem von weißen Frauen vorgelebt werden. Im Grunde ist der Trend nur ein Comeback von weißer Uptown-Girl-Kultur und mixt sich in seiner modernen Version mit schwarzer und lateinamerikanischer 90er-Jahre-Ästhetik, indem er den Schmuck, die Haare und die schimmernde Haut davon übernimmt.

Was geschah dann mit den Clean Girls?

Zunächst haben immer mehr People of Colour in den Sozialen Medien darauf hingewiesen, dass der Trend nicht so zeitgemäß ist, wie er sich darstellt. Die Influencerin @uchjn ging sogar so weit, den Trend als "Anti-Schwarz" zu bezeichnen. Sie schrieb: "Der Clean-Girl-Look ist schlicht und ergreifend anti-schwarz, denn welches schwarze Mädchen verlässt das Haus nur mit getönter Feuchtigkeitscreme und einem Hauch Concealer... BITTE, wir brauchen Deckkraft und Kontur." 

Andere Nutzer:innen wiesen darauf hin, dass viele getönte Feuchtigkeitscremes und BB-Cremes schwer erschwinglich sind, geschweige denn eine breite Farbpalette für dunklere Hauttöne anbieten. Weitere erklärten, wie ihre Krankheiten und Hautproblemen wie Akne und Hyperpigmentierung es ihnen unmöglich machten, den Look zu rekreieren.

Dann tauchten Posts auf TikTok und Instagram auf unter dem Slogan "Clean-Girl-Aesthetic, but make it black". Gezeigt wurden schlanke schwarze Frauen mit glattem Haar in sanft schimmerndem, natürlichem Make-up und coolen Basic-Looks. Sie kreierten ihre eigenen Hashtags wie #cleanmakeupforblackgirls oder #cleangirlaestheticblackgirl. Die Createrin @iamdodos_ zeigt in ihrem Beauty-Tutorial, dass es Produkte wie Skin Tints und BB-Creams gibt, die auch für dunklere Hauttöne geeignet sind. 

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Als Userin Kaelyn Montoya, mitbekommt, dass der "Clean Girl"-Look auf TikTok so angesagt ist, wundert sie sich, wie die Leute glauben konnten, dass dies etwas Neues sei. Sie postet ein Video auf ihrer Seite, in dem sie ihr Haar zu einem geglätteten Dutt stylt und behauptet, dass sie "den Clean-Girl-Dutt" zurückerobern würde, den Latina-Frauen seit Jahrzehnten tragen. Ihr Video wurde über eine Million Mal angesehen, löste aber in den Kommentaren eine Kontroverse darüber aus, ob eine kulturelle Gruppe einen Look für sich beanspruchen kann.

Die Diskussion kommt weiter ins Rollen und überschwemmte sämtliche Social-Media-Kanäle. Ein Tweet dazu erklärt: "Das Problem mit der Clean-Girl-Ästhetik ist, dass sie nur für dünne, schlanke, locker gelockte, begehrenswerte schwarze Frauen ohne Makel im Gesicht steht und impliziert, dass jeder, der nicht zu dieser Ästhetik passt, schmutzig ist." 

Der Versuch dunkelhäutiger Clean Girls, die Ästhetik für sich zu gewinnen, war immer noch ausgrenzend und klassifizierend. Nun hatten sich zwar mehr Hautfarben an den Trend gewagt, aber wieder nur eine sehr kleine elitäre Gruppe die keinesfalls repräsentativ für alle Frauen oder Hautfarben war. Viel mehr spiegelten sie das Bild wieder in das sich  schwarze Frauen wiederholt zwängen, um sich anzupassen und um Stereotype zu vermeiden. 

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Die Beautywelt scheint herrlich divers zu sein. Aber wie inklusiv, barrierefrei und open minded ist die Branche wirklich?

  • 24.02.2023
  • 08:43 Uhr

Wofür die "Clean Girl"-Ästhetik heute steht, ist der scheinbar gesellschaftlich anerzogene Wunsch, Hierarchien aufrechtzuerhalten und Formen der Ausgrenzung gerade rund um Schönheitsideale zu behalten. Wir denken, wir hätten uns weiter entwickelt, wären inklusiver, toleranter und offener geworden. Dabei haben sich nur die Wege, die wir gehen, verändert. Die Endstation ist die gleiche geblieben. Was früher aufwendiges Make-up und Frisuren waren, Looks, für die man Geld brauchte, schlank, weiß und jung sein musste, sind jetzt teure Pflegeprodukte, Gesichtsbehandlungen, Wimpernverlängerungen und ähnliche Treatments. Ein Look wird als natürlich und clean bezeichnet. Alles und alle, die diesem Look nicht entsprechen, sind eben nicht clean und nicht natürlich schön.

Es reicht nicht, ungeschminkt zu sein und einen Dutt zu tragen, um ein Clean Girl zu sein. Was man viel mehr braucht ist makellose Haut, glattes Haar, minimalistischen aber teuren Schmuck und scheinbar legere Leggins, in die man erstens reinpassen und die man sich zweitens leisten können muss. Hinter dem Schleier der Clean-Girl-Ästhetik verschwinden nicht nur Augenringe und Mitesser, sondern auch Krankheit und Armut und verpacken sie in eine mit Gloss überzogene Beauty-Welt in der Skincare "Spaß macht", "gesunde" Haut kein Make-up braucht und "Selfcare" wichtiger ist als ein stressiger Job.

Aber auch wenn sich das #ThatGirl und das #CleanGirl wirklich lange in unserem Feed gehalten haben, gab es eine Gegenbewegung. Eine, die sich ebenso lange hält und im Gegensatz zu der kleinen Elite weiter wächst. Schon in den letzten Jahren wurde ungeschminkte Haut immer öfter auch in ihrer Natürlichkeit gezeigt. Unterschiedliche Hautstrukturen und Texturen, Hautfarben und Hauttypen finden in Kampagnen und auf Social Media statt, selten aber immerhin. Diese Gesichter sind Pioniere, aber sie werden die Clean Girls überdauern, sobald wir erkannt haben, dass Gesundheit, Wellness, Selbstliebe und Schönheit mehr Gesichter hat als das des weißen, glatten, dünnen Mädchens.

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