Säugetiere in Not
Wale: Warum sie stranden und die Orientierung verlieren
- Aktualisiert: 07.11.2023
- 11:21 Uhr
- Lars-Ole Grap
Immer wieder stranden Wale und Delfine. So zum Beispiel ein Orca und ein Schwertwal Ende Oktober an der Nordsee. Was dahinter steckt und welche Arten besonders oft betroffen sind ...
Das Wichtigste in Kürze
Eine Wal-Strandung bedeutet, dass ein Wal in extrem flachen Wasser oder auf den Strand aufläuft. Bei einer Massen-Strandung landen mehrere Tiere gleichzeitig an einem Küstenabschnitt.
Zahnwal-Arten wie Grindwale, Pottwale, Schnabelwale und Delfine stranden vergleichsweise häufig, Bartenwale eher seltener.
Weltweit stranden jährlich etwa 2.000 Wale. In den meisten Fällen endet das tödlich für die Meeressäuger. Als Ursache kommen natürliche Faktoren wie Krankheit, Desorientierung, Verletzung oder Tod infrage.
Auch der Mensch hat Anteil am Schicksal der Tiere. Kollision mit Schiffen, Beifang, Lärm, Giftstoffe, aber auch Plastikmüll können dazu führen, dass geschwächte, verletzte oder tote Wale und Delfine stranden.
Warum stranden Wale?
Veränderungen der Meeresumwelt sind eine mögliche Ursache fürs Stranden von Walen und Delfinen. Dazu zählt untere anderem auch starker Wind. Stürme erzeugen Strömungen, in denen sich oft viele kleine Meerestiere tummeln. Dabei kann es passieren, dass die Wale dem Futter nachjagen und dabei abdriften.
Der Klimawandel verstärkt diese Effekte noch. Denn nicht nur an Land sorgt die Veränderung des Klimas mit Dürren und Unwetter für Chaos. Auch Windsysteme und Meeresströmungen sind betroffen. Die Erderwärmung verkleinert außerdem auch noch den Lebensraum der Wale und reduziert oder verändert ihr Nahrungsangebot. Dadurch sind die Meeressäuger gezwungen, unbekannte und weiter entfernte Fressgebiete aufzusuchen.
Manche Walarten, wie zum Beispiel Grindwale, sind in Familienverbänden organisiert und folgen auf ihren Wanderungen einzelnen Leittieren. Ihnen schwimmen sie auch in seichtes Wasser nach, wo sie sich nicht mehr zurechtfinden. Zu Navigationsfehlern kommt es unter anderem, wenn ein Leittier erkrankt oder geschwächt ist und dadurch sein Echo-Ortungssystem versagt.
Grindwalen wird auch nicht selten ihr fürsorgliches Sozialverhalten zum Verhängnis. Viele stranden, weil sie dorthin zurückschwimmen, wo ihre Artgenossen festsitzen. Und auch kranke oder tote Verwandte lassen sie nicht allein.
Da sich Wale an den Magnetfeldern der Erde orientieren, können Anomalien im Erdmagnetfeld ebenfalls zu Desorientierung führen. Störungen treten insbesondere in Küstengebieten auf, mit denen die Hochsee-Tiere nicht vertraut sind. Auch eine Studie aus dem Jahr 2020 legt einen Zusammenhang zwischen Sonnenstürmen, dem Erdmagnetfeld und der Strandung von Walen nahe.
Ein weiterer Strandungs-Grund kann der Lärm sein, der in den Ozeanen herrscht. Geräusche, die Schiffsmotoren, Bohrinseln oder militärische Übungen verursachen, stressen die schwimmenden Riesen und versetzen sie mitunter in Panik. Außerdem kann der Lärm das empfindliche Gehör der Tiere schädigen und so Orientierungsprobleme verursachen.
Fehlende Erfahrung im Umgang mit unbekannten Gebieten, die richtige Wanderroute oder aber auch den Umgang mit Stress- oder Notsituationen ist besonders bei Jungtieren ein Risikofaktor für Strandungen.
Wo stranden Wale und Delfine?
Einzelfälle von Strandungen werden an zahlreichen Stränden weltweit beobachtet, wohingegen die meisten Massenstrandungen in Westaustralien, Neuseeland, an der Ostküste Nordamerikas und in Patagonien (Chile) aufgezeichnet wurden. Gelegentlich treten jedoch auch Massenstrandungen in der Nordsee auf. Besonders häufig sind Zahnwalarten wie Grindwale, Pottwale, Kleine Schwertwale, Schnabelwale und Delfine betroffen.
In der Golden Bay, Hawkes Bay, sowie auf den Chatham-Inseln in Neuseeland sind Strandung und Massenstrandungen sehr häufig. Alleine dort strandeten über 9.000 Grindwale in bisher über 200 Strandungen in den letzten Jahrzehnten. Warum gerade dort so viele Meeressäuger stranden, ist noch nicht abschließend wissenschaftlich geklärt. Als mögliche Ursache werden die geschlossenen Buchten und flachen Gezeitenküsten in Betracht gezogen, die den Orientierungssinn der Tiere beeinträchtigen könnten. Aber auch der soziale Zusammenhalt der Tiere spielt sehr wahrscheinlich eine Rolle.
Durchschnittlich sind es in Neuseeland laut der Walschutz-Organisation "Project Jonah" aber nur etwa 70 bis 80 Tiere, die stranden. In Neuseeland kam es 2022 gleich zu zwei Massenstrandungen. Innerhalb weniger Tage landeten dort knapp 480 Grindwale an den Stränden der Chatham-Inseln. Dies zählt zu den größten Massenstrandungen der neuseeländischen Geschichte.
Aber auch vor der Küste Australiens sind Wal-Strandungen keine Seltenheit. Bei der Massenstrandung 2022 strandeten hier 230 Grindwale. Davon verendeten 200 Tiere.
Warum kann man gestrandete Wale oft nicht retten?
Die Strandung eines Wals bedeutet einen Wettlauf gegen die Zeit. Wale sind sehr kräftig und je nach Art mehrere Tonnen schwer. Ihr Gewicht ist im Wasser kein Problem, an Land hingegen können die inneren Organe der Tiere davon zerquetscht werden. Außerdem wird durch ihr Körpergewicht an Land ihre Blutzirkulation beeinträchtig. Das führt zur Ansammlung von Giftstoffen im Körper. Ihr Gewicht und ihre Kraft stellen aber auch für Menschen ein erhebliches Verletzungsrisiko dar, wenn man versucht, sie zurück ins Wasser zu ziehen oder sie an Land zu bewegen.
Ein weiteres Problem für gestrandete Wale ist die Sonne. Sie kann schnell zur Überhitzung der Tiere durch ihre dicke Fettschicht ("Blubber") führen.
Aber auch Ertrinken stellt für eine reale Gefahr dar: Wale atmen Luft, genau wie andere Säugetiere. Wenn Wasser in ihr Blasloch eindringt, können die Tiere daran sterben.
Rettungsversuche werden nur dann unternommen, wenn die gestrandeten Wale noch in einem guten gesundheitlichen Zustand sind und gute Überlebenschancen haben. Ist eine Rettung von lebenden gestrandeten Walen nicht mehr möglich, dann werden die Tiere oft eingeschläfert. So wird ihnen zumindest ein qualvolles Ende erspart.
Für Forscher:innen bieten gestrandete und gestorbene Wale wertvolle Einblicke in das Leben der Meeresbewohner. Sie können nicht nur untersuchen, wie das Tier gestorben ist, sondern auch, wie es gelebt hat. Besonders bei Arten, die bisher kaum untersucht werden konnten, lassen sich so wertvolle Erkenntnisse gewinnen.
Was kann ich tun, wenn ich einen gestrandeten Wal finde?
Wenn du die erste Person bist, die einen gestrandeten Wal oder Delfin findet, dann solltest du umgehend entweder die Polizei oder Küstenwache informieren. In manchen Ländern gibt es auch spezielle "Strandungsnetzwerke" mit extra ausgebildeten Hilfskräften.
Wie bei allen Wildtieren solltest du lieber Abstand halten. Wale und Delfine sind sehr kräftige und schwere Tiere. Sie können besonders in Stresssituationen Menschen leicht verletzen, wenn auch unbeabsichtigt zum Beispiel durch Bewegung der Schwanzflosse. Außerdem besteht grundsätzlich das Risiko, dass Krankheiten übertragen werden könnten.
Auf keinen Fall solltest du gerade bei kleinen Walen oder Delfinen versuchen, die Tiere an der Schwanzflosse zurück ins Meer zu ziehen. Das Risiko dabei die Tiere zu verletzen, ist zu hoch. Wale und Delfine sollten niemals ohne geeignetes Gerät und Fachwissen an Land bewegt werden.