STIKO: Wie kommt die Ständige Impfkommission zu ihren Empfehlungen?
- Veröffentlicht: 11.11.2021
- 18:55 Uhr
- Galileo
Die STIKO um ihren Vorsitzenden Thomas Mertens ist für Impfempfehlungen in Deutschland verantwortlich. Wie trifft die Ständige Impfkommission solche Entscheidungen? Hier erfährst du, wie die STIKO arbeitet, wie sie sich zusammensetzt und welche Rolle sie in der Corona-Pandemie spielt. Im Clip: Was bringt die Booster-Impfung?
Das Wichtigste zur STIKO
STIKO ist die Kurzform für "Ständige Impfkommission". Zu ihr gehört mehr als ein Dutzend Fachleute fürs Impfen.
Auf der Grundlage wissenschaftlicher Daten erarbeiten die Expertinnen und Experten Impfempfehlungen für die Menschen in Deutschland.
Durch die anhaltende Corona-Pandemie finden die Funktion und Organisation sowie der Ansatz der STIKO viel öffentliche Beachtung.
Aufgaben und Arbeitsweise der STIKO
Die Ständige Impfkommission entwickelt Impfempfehlungen für Deutschland, woraus sich Impfstrategien ableiten lassen. Beim Abwägen von Nutzen und Risiken berücksichtigt sie nicht nur die Auswirkungen für einzelne Menschen, sondern auch den Effekt in verschiedenen Gesellschaftsgruppen und in der Gesamtbevölkerung.
Dabei erarbeitet die STIKO auch Kriterien, um übliche Impfreaktionen von auffälligen gesundheitlichen Folgen zu unterscheiden.
In ihrem Vorgehen orientiert sie sich an der "evidenzbasierten Medizin (EbM)". Das bedeutet, die STIKO beschließt ihre Empfehlungen durch eine Kombination aus klinischer Erfahrung und den besten verfügbaren Erkenntnissen aus der Forschung.
Die Empfehlungen der STIKO gelten als medizinischer Standard. Für die Arbeit von Ärztinnen und Ärzten sind sie daher eine zentrale Orientierung. Sie sind aber keine Gesetze und nicht rechtlich bindend.
Von Impf-Priorisierung bis Booster: Rolle in der Corona-Pandemie
🤨 Mit der Hauptaufgabe, konkrete Impfempfehlungen für Deutschland festzulegen, steht die STIKO durch die Schutzimpfungen in der Corona-Pandemie besonders im Fokus.
📖 Generell veröffentlicht die STIKO Impfempfehlungen mit entsprechenden Begründungen auf ihrer Webseite. Die Empfehlungen zur Corona-Schutzimpfung sind gesondert zusammengefasst.
👵 Zu Beginn der Corona-Impfkampagne, als die Impfstoff-Mengen noch knapp waren, bildeten die STIKO-Empfehlungen etwa eine wichtige Grundlage für die Priorisierung nach Risikogruppen.
💉 Inzwischen könnten sich (fast) alle in Deutschland impfen lassen - einige zweifeln trotz der belegten Wirksamkeit der Impfstoffe aber noch. Da der Impfschutz mit der Zeit nachlässt, benötigen Geimpfte nach rund 6 Monaten zudem eine Auffrischung, die sogenannte Booster-Impfung.
👴 Nach Empfehlung der STIKO sollen vor allem Menschen über 70 Jahre und Bewohner:innen und Beschäftigte in der Pflege dringend die dritte Impfung erhalten. Mittel- bis langfristig brauchen wohl auch Jüngere den Booster.
👱 Eine weitere aktuelle Empfehlung betrifft Menschen unter 30 Jahren: Ihnen empfiehlt die STIKO fortan eine Corona-Impfung nur noch mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer. Bei der Impfung mit dem Moderna-Impfstoff traten in dieser Personengruppe selten, aber vermehrt Herzmuskel- und/oder Herzbeutelentzündungen auf.
🏢 Neben der STIKO sind auch das ihr übergeordnete Robert-Koch-Institut (RKI) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) wichtig. Das RKI sammelt Daten etwa zu Neuinfektionen und zur Impfquote. Das PEI prüft die Zulassung von Impfstoffen und überwacht diese auch weiter nach der Zulassung.
Organisation und Aufbau der STIKO
🤓 Die Ständige Impfkommission ist eine ehrenamtliche und unabhängige Gruppe aus Expertinnen und Experten. Sie kommen unter anderem aus den Bereichen Mikrobiologie, Tropenmedizin und Epidemiologie.
👉 Sie setzt sich aus 12 bis 18 Mitgliedern zusammen, die das Bundesministerium für Gesundheit für jeweils 3 Jahre beruft.
🤝 Die aktuelle Amtszeit der STIKO-Mitglieder läuft seit 2020 und bis 2023. Vorsitzender der STIKO ist seit 2017 Prof. Dr. Thomas Mertens. Wie er sind einige Mitglieder schon länger ein Teil der Ständigen Impfkommission.
👩💼 Die Koordination der STIKO-Tätigkeiten übernimmt eine Geschäftsstelle mit hauptamtlichen Beschäftigten, die am Robert-Koch-Institut angesiedelt ist.
🙋 An den Sitzungen der STIKO können neben den berufenen Mitgliedern beispielsweise auch Vertreter:innen des Paul-Ehrlich- und des Robert-Koch-Instituts teilnehmen - allerdings ohne Stimmrecht.
STIKO-Mitglied über die Arbeit in der Corona-Pandemie
Dr. Martin Terhardt ist seit 2011 Mitglied der STIKO. Im Video erklärt er, wie die Impfkommission auch in der Corona-Pandemie zu ihren Empfehlungen und Begründungen gelangt.
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Kurzer Einblick in die Geschichte der STIKO
1972: Das damalige Bundesgesundheitsamt (BGA) richtet in Berlin die Ständige Impfkommission ein. Die STIKO gibt es dementsprechend seit fast 50 Jahren.
1991: Die Gesundheitsministerkonferenz beschließt, dass die STIKO-Empfehlungen Grundlage in allen Bundesländern werden.
1994: Mit der Auflösung des BGA wird die STIKO an das Robert-Koch-Institut angegliedert. Somit gehört sie zugleich zum Bundesgesundheitsministerium.
2001: Mit der Einführung des Infektionsschutzgesetzes wird die STIKO aufgrund der Wichtigkeit ihrer Impfempfehlungen auch gesetzlich verankert.
2007: Die STIKO-Empfehlungen werden Grundlage für die Schutzimpfungsrichtlinie (SI-RL), wodurch entsprechende Impfungen Pflichtleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werden.
2020: Das Infektionsschutzgesetz wird - nicht zum letzten Mal in der Corona-Pandemie - angepasst. Die STIKO soll ihre Empfehlungen nach den Vorgaben der Verminderung schwerer Verläufe und Eindämmung der Ausbreitung ausrichten.
Zu penibel und langsam? Kritik an der STIKO
Als Bestandteil des Robert-Koch-Instituts, einer Bundesbehörde, ist die STIKO teils auch politischem Druck ausgesetzt. In der Corona-Pandemie zeigte sich das etwa am Beispiel der Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche.
Eine Corona-Impfempfehlung für alle 12- bis 17-Jährigen beschloss die STIKO erst, als ausreichend wissenschaftliche Daten vorlagen. Da die Impfstoff-Zulassung bereits einige Zeit vorher feststand, dauerte diese Entscheidung manchen Politiker:innen zu lange.
Die Ständige Impfkommission um ihren Vorsitzenden Thomas Mertens betonte wiederum ihre Aufgabe, konkrete Impfempfehlungen zu entwickeln. Die Zulassung eines Impfstoffs durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) in Koordination mit dem Paul-Ehrlich-Institut bedeute noch keine allgemeine Empfehlung.
Um die Unabhängigkeit der STIKO weiterhin zu gewährleisten, fordern einige Fachleute vor diesem Hintergrund strukturelle Reformen. Andere hingegen verweisen auf die bewährten Verfahren der Kommission. Konkrete Änderungspläne für die Zukunft sind noch nicht bekannt.