LNG: Warum Flüssigerdgas gerade jetzt so wichtig ist
- Veröffentlicht: 05.12.2022
- 17:45 Uhr
- Sven Hasselberg
LNG soll dazu beitragen, die Energieversorgung in Deutschland zu sichern. Wir erklären dir, wie das Flüssigerdgas gewonnen und importiert wird und warum Umweltschutz-Organisationen ein Problem damit haben.
Das Wichtigste zum Thema LNG
Die Abkürzung LNG steht für Flüssigerdgas und kommt vom Englischen Liquefied Natural Gas. Unter hohem Druck wird Erdgas zusammengepresst und auf mindestens minus 162 Grad Celsius abgekühlt. Dadurch verflüssigt es sich. Es ist farb- und geruchlos.
LNG braucht 600-mal weniger Platz als gasförmiges Erdgas. Deshalb rechnet es sich, große Mengen in speziellen Tankern zu transportieren. Eine Pipeline ist nicht mehr nötig. Das Flüssigerdgas wird an speziellen Terminals vom Frachter entladen.
Wieder in Gasform umgewandelt, kann es überall eingesetzt werden, wo auch gewöhnliches Erdgas eingesetzt wird - zum Beispiel zum Heizen, bei industriellen Produktionsprozessen oder zur Stromgewinnung.
Der Russlandkonflikt - Deshalb ist LNG so gefragt
Da die EU, die USA und viele andere westliche Staaten Russland nach dem Angriff auf die Ukraine mit Sanktionen belegten, kündigte Russland einigen Staaten die Gaslieferung auf. Das stellte die EU vor vollkommen neue Voraussetzungen in der Energiepolitik. Selbst die Sowjets hatten ihre Gaslieferungen im Kalten Krieg der 70er- und 80er-Jahre immer aufrechterhalten.
Die russischen Gas-Lieferstopps treiben die Energiepreise 2022 in die Höhe. Um die Energieversorgung zu sichern, hat der Deutsche Bundestag im Mai 2022 das "LNG-Beschleunigungsgesetz" beschlossen. Dadurch kann vermehrt LNG nach Deutschland importiert werden, da erstmals zwei eigene feststehende Terminals zum Entladen der Tanker gebaut werden. Das Gesetz vereinfacht einige Genehmigungs-Verfahren und beschleunigt somit den Bau. Da das Errichten feststehender Terminals Jahre dauert, werden zur Überbrückung "schwimmende Terminals" eingerichtet. Das sind spezielle Tanker, auf denen das LNG direkt wieder in Gasform gebracht werden kann. Von dort wird es mit anderen Schiffen oder per Pipeline als normales Erdgas wieder abtransportiert. 400 Tankerladungen LNG sind nötig, um die Menge an Erdgas zu ersetzen, die 2020 noch aus Russland durch die Pipelines strömte.
So soll die Abhängigkeit von russischen Öl- und Gaslieferungen beendet werden. Da Deutschland in Zukunft jedoch auf erneuerbare Energien setzen will, soll die Genehmigungen für die LNG-Anlagen nur bis 2043 laufen.
So funktionieren LNG-Terminals
Das Foto oben zeigt ein Modell des geplanten LNG-Terminals in Brunsbüttel. Es wird mit zwei Anlegestellen für Tanker ausgerüstet sein. Von den Tankern aus wird das LNG in die beiden großen Zwischentanks geleitet. Ein Teil wird in flüssiger Form gleich weiter in Eisenbahnkesselwagen oder LNG-Tanklaster verladen. Diese liefern es zum Beispiel an Tankstellen aus. Der weitaus größere Teil aus den Zwischentanks wird mit Hilfe von Wärme regasifiziert, also wieder in Gasform gebracht. Danach kann das Erdgas von hier aus direkt via Pipelines in das deutsche Netz eingespeist werden. Das folgende Foto zeigt das bereits funktionierende Terminal im Hafen von Rotterdam.
LNG - Fluch oder Segen
Gerade LNG aus den USA und Australien wird oft durch umweltschädliches Fracking gewonnen, bei dem Chemikalien in die Erde gepumpt werden. Auch Kühlung und Transport kosten viel Energie. Deshalb warnen Umweltschutzorganisationen. Vergleiche zeigen, dass allein die CO2-Emissionen bis zu 7,5-mal klimaschädlicher sein können als bei Pipelinegas aus Norwegen.
Da die Bundesregierung auf erneuerbare Energien setzt, war Gas immer nur als Brückentechnologie "geduldet". Wird am Kohle- und am Atomausstieg festgehalten, wenn gleichzeitig kein russisches Gas mehr geliefert oder bezogen wird, muss die Energie aber irgendwo herkommen.
Die Frage ist woher? Abgesehen von den Umweltbedenken stehen Gas-Lieferstaaten wie Katar außerdem in der Kritik, Menschenrechte ebenso wenig anzuerkennen wie Russland, das mit Sanktionen belegt wurde.
Die Umweltverbände NABU, WWF und BUND bereiteten trotz der Notlage eine Klage gegen den Bau des Terminals in Wilhelmshaven vor, da keine Umweltverträglichkeitsprüfung stattfand. Die Grünen wiesen darauf hin, dass die Terminals "Wasserstoff ready" gebaut werden sollen, also dass nach dem Import von LNG über sie auch der umweltfreundlichere Wasserstoff geliefert werden könnte. Die grüne Umweltministerin Steffi Lemke hält den Import von LNG derzeit für notwendig: "Ich würde nicht sagen, dass alles möglich ist, ich würde nicht sagen, dass alles willkommen ist. Ich würde es so beschreiben, dass wir uns in einer Notsituation – in einer Ausnahme Situation – befinden." Sie sieht auf lange Sicht darin sogar eine Chance, unabhängiger von fossiler Energie zu werden. Im folgenden Link kannst du ihre Meinung dazu in einem Kurzinterview anhören.
Willst Du noch mehr über LNG erfahren?
Hier hörst du das Interview mit der Bundesumweltministerin Steffi Lemke.
LNG in Zahlen
🚢 Der Tanker: Sie sind oft 300 Meter lang und 50 Meter breit. Im Schnitt können sie 150.000 Kubikmeter LNG transportieren. Das entspricht dem Jahresbedarf von 34.000 Haushalten. Die Größten der Tanker fassen sogar 266.000 Kubikmeter – also nicht ganz das Doppelte. Die auffälligen Kugeltanks an Deck haben einen Durchmesser von bis zu 40 Metern. Meist werden die Tanker mit einem Teil der LNG-Ladung betrieben.
🚢🚢 Die Flotte: Der erste Tanker, beladen mit LNG, stacht 1959 in See. 2004 kreuzten weltweit gerade mal 173 über die Ozeane. 2021 waren es schon 700. Aufgrund der politischen Lage haben 2022 mehrere Unternehmen und Länder über 100 weitere Tanker bestellt. Den ersten Boom genossen sie 1972. Wegen der Ölkrise war damals LNG plötzlich sehr gefragt.
💧 Die Liefermenge: Weltweit werden 516 Milliarden Kubikmeter LNG jährlich gefördert. 2020 hielten sich Erdgas, das durch die Pipeline befördert wurde und das mit Tankern transportierte LNG fast die Waage. Auf das LNG entfielen 50,5 Prozent des Erdgashandels, auf die Gas-Pipelines 49,5 Prozent. 2018 lagen die Pipelines noch mit 54,3 Prozent vorne.
🇦🇺 Exportländer: Australien führte 2021 den weltweiten Export mit 78,5 Millionen Tonnen an. Das entspricht dem Gewicht von 523.333 Blauwalen. Katar folgte mit 77 Millionen Tonnen auf Platz 2, die USA belegten mit 67 Millionen Tonnen den dritten Platz und dann kam schon Russland mit 30 Millionen Tonnen. Als erstes europäisches Land rangiert Norwegen erst auf Platz 19 mit 240.000 Tonnen. Das sind also nicht mal zwei Blauwale.
🗺 Die Terminals: Im Jahr 2021 waren 37 europäische Terminals in Betrieb, 26 davon in der EU. Aktuell fassen die europäischen Terminals rund 241 Milliarden Kubikmeter LNG – diese decken gut 40 Prozent des Erdgasbedarfes. Weltweit sind es 180. Die folgende Grafik zeigt dir, wie Europa seine LNG-versorgung nun ausbaut.
Europa baut seine Kapazitäten aus
5 Fragen zu LNG
Nicht zu verwechseln sind Flüssigerdgas (LNG) und Flüssiggas, Liquefied Petroleum Gas (LPG). Das hier beschriebene Flüssigerdgas LNG besteht zu 90 Prozent aus Methan. LPG kann flüssiges Butan oder Propan sein, wie in Campingkochern oder Feuerzeugen.
Während des Transports "taut" ein Teil des LNGs und verdampft als "Boil-off-Gas". Das könnte sich entzünden. Allerdings sind die Sicherheitsmaßnahmen so hoch, dass es noch nie zu solch einem gefährlichen Zwischenfall kam. 2022 brannte allerdings eine LNG-Herstellungsanlage in Texas. Ursache war wohl ein Bruch der Druckleitungen, die das LNG zu den Docks transportieren. Es gab keine Verletzten.
Flüssiges Bio-Methan wird oft als Bio-LNG bezeichnet. Meist wird es aus organischem Hausmüll, Abfällen aus der Landwirtschaft, Dung oder Schlamm gewonnen. Es soll vermehrt als Treibstoff in der Schifffahrt oder im Schwertransport auf der Straße eingesetzt werden. Es würde fast klimaneutrale Transporte ermöglichen.
Beim Fracking wird ein umweltschädliches Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in tiefere Gesteinsschichten gepresst. Der Druck und die Flüssigkeit bringen den Stein zum Bersten. Dadurch ist er durchlässiger für Erdgas oder -öl. Oft muss sehr tief gebohrt werden.