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So konterst du Hate Speech und rassistische Kommentare

  • Veröffentlicht: 09.12.2020
  • 19:45 Uhr
  • Galileo

Du hörst im Alltag rassistische Bemerkungen oder siehst Hass-Kommentare im Netz? Dann überlasse die Reaktion nicht denjenigen, die sich ständig damit herumschlagen müssen. So entgegnest du dummen, rassistischen Sprüchen!

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Das Wichtigste zum Thema Rassismus im Alltag

  • Obwohl Rassismus nach dem Grundgesetz in Deutschland verboten ist, werden Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Aussehens immer noch benachteiligt.

  • Ob auf der Straße, bei der Wohnungssuche, im Job oder Online: Rassismus begegnet uns überall. Oft fallen rassistische Randbemerkungen unvermittelt.

  • Hass-Kommentare im Netz sind keine Seltenheit: 18 Prozent aller Deutschen haben sie schon erhalten, unter den 16 bis 30-Jährigen sogar 32 Prozent.

  • Es gibt Möglichkeiten, ihnen etwas entgegenzusetzen und Zivilcourage zu zeigen. Wir haben Tipps für dich, wie du rassistische Kommentare und Hate Speech konterst.

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Hass im Netz: Was gilt als Hate-Speech?

Fast 80 Prozent aller User finden, dass der Ton im Netz immer aggressiver wird. Aber was genau gilt als "Hate-Speech"?

Grundsätzlich gilt: Meinungsfreiheit hört da auf, wo ein Straftatbestand ist.

  • Etwa, wenn jemand beleidigt, statt inhaltlich zu kritisieren oder zu Straftaten aufruft.
  • Volksverhetzung: Wenn das Opfer angegangen wird, weil es Mitglied einer bestimmten Gruppe ist. Zum Beispiel wegen seiner Nationalität, Hautfarbe, sexuellen Orientierung oder wegen einer Behinderung oder politischen Meinung.

Wer sind die Hater?

Wissenschaftler unterscheiden zwischen "Trollen" und "Glaubenskriegern". Trolle sind oft gut organisiert und betreiben mit Fake-Accounts gezielt Hass-Propaganda. Sie sind ironisch, provokant - und wollen zeigen, wie clever sie sind.

Die viel größere Gruppe unter den Hatern sind die sogenannten "Glaubenskrieger". Sie sind von einer bestimmten Angst oder Ideologie getrieben, beanspruchen die "Wahrheit" für sich und sind auf einem persönlichen Feldzug, diese Wahrheit zu verbreiten. Sie sehen sich selbst als Opfer des Systems - und können sich kaum in andere Menschen hineinversetzen.

Eigentlich sind die Hater in der Unterzahl. Durch Anlegen von Fake- oder Mehrfachprofilen spielen sie eine Meinungs-Mehrheit vor: Lediglich 5 Prozent der Accounts sind für 50 Prozent der Likes bei Hass-Kommentaren verantwortlich.

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Hate Speech im Netz - Widerstand lohnt sich

Im Netz, insbesondere auf Social-Media-Plattformen sind Hasskommentare keine Seltenheit. Sollte man die besser ignorieren? Nein, Forscher aus dem Umfeld des Santa Fe Institute haben festgestellt: Organisierte Gegenrede könnte tatsächlich ein wirksames Mittel gegen Hass im Netz sein.

Untersucht wurden - mittels eines Machine-Learning-Algorithmus - circa 9 Millionen deutschsprachige Tweets. Die eine Hälfte davon war Hate Speech der rechtsextremen Trollarmee Reconquista Germanica. Die Trollarmee flutete in konzertierten Aktionen die sozialen Medien mit zum Teil menschenverachtender Propaganda und postete massenhaft Kommentare voller Hass unter YouTube-Videos. Außerdem brachten sie einige ihrer Hashtags in die Trending Topics auf Twitter - oder sie kaperten bereits bestehende mit ihren eigenen rassistischen Botschaften.

Die andere Hälfte davon waren Kommentare dagegen, also Gegenrede des Gegenentwurfs Reconquista Internet - initiiert von Fernsehmoderator Jan Böhmermann.

Das Ergebnis der Studie: Mit dem Auftreten der organisierten Gegenrede wurde die polarisierte Hassrede im Netz ausgeglichen und gesenkt. Außerdem: Wenn auf Hass mit einer Gegenrede geantwortet wurde, dann entstand dadurch häufiger ein zivilisierter Diskurs.

Widerstand hilft gegen Hass im Netz.
Widerstand hilft gegen Hass im Netz.© Lukas Schulze/dpa

"Wer organisierten Hass, rassistische Hetze oder die cleveren Diskursverschiebungskampagnen rechtsextremistischer Netzwerke im Internet erfolgreich bekämpfen will, muss wissen, wie diese verdeckten Manipulationsnetzwerke arbeiten, sie analysieren und gegen sie aktiv werden" sagt Jan Böhmermann.

So kannst du selbst auf Hate Speech im Netz reagieren

💬 Nicht mit Hass kontern - aber mit lauter Gegenrede: Bleibe sachlich und faktenbezogen und fordere das Gleiche vom Gegenüber. Mit Links zu seriösen Webseiten kannst du Falschaussagen widerlegen.

🧐 Tu nur das, was du dir selbst zutraust. Es gibt auch Beiträge, die angezeigt und dem Rechtsstaat überlassen werden sollten.

💻 Hate Speech melden - direkt beim Netzwerk: Du kannst Hasskommentare direkt bei der Plattform melden, auf der sie veröffentlicht wurden.

🤔 Manchmal bleiben selbst wüste rassistische Beleidigungen stehen, wie eine Auswertung von Reconquista Internet zeigt: Bei einer Stichprobe von 153 gemeldeten Beiträgen wurde lediglich rund ein Drittel gelöscht. Das kann unter anderem daran liegen, dass die Moderatoren unter extremen Bedingungen arbeiten, unklare Anleitungen haben und unter Zeitdruck stehen. Im Zweifel wird dann eher nicht gelöscht, um dem Vorwurf der Zensur zu entgehen.

💻 Hate Speech melden - bei Drittanbietern: Auf Hassmelden.de kannst du zum Beispiel den Link zum Kommentar abschicken und die Seite prüft dann sogar, ob er strafrechtlich relevant ist. Über das Demokratiezentrum Baden-Württemberg kannst du eine Beschwerde über ein Onlineformular einreichen. Auch hier prüfen Mitarbeiter das Anliegen, stellen bei Bedarf eigenständig eine Strafanzeige oder unterstützen dich bei der Kommunikation mit den Behörden.

📸 Mache immer einen Screenshot des Kommentars, um die Hate Speech später nachweisen zu können. Achte darauf, das Datum und die Uhrzeit der Aufnahme festzuhalten und auch vorangegangene Kommentare zu dokumentieren. Außerdem sollte auch die ID des Täters für die Beweissicherung kopiert werden.

☎ Neben technischen und rechtlichen Mitteln wird oft vergessen, was Hate Speech emotional mit den Opfern macht. Professionelle Hilfe kann hier sehr hilfreich sein. Unten findest du Links zu Beratungsstellen.

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Gegen Hass im Netz

So konterst du Hate Speech und rassistische Kommentare

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Gegen Hate Speech: Diese Haltung zeigt eine Frau während des "Black Lives Matter"-Protestes in Tokios Shibuya-Gebiet.
© picture alliance/ZUMA Press

Gegen Hate Speech: Diese Haltung zeigt eine Frau während des "Black Lives Matter"-Protestes in Tokios Shibuya-Gebiet.

Vor 2 Jahren in Hamburg: Mit Schildern, unter anderem mit der Aufschrift "Hass ist keine Meinung", ziehen Teilnehmer bei einer bunten Parade gegen Rassismus durch die Innenstadt.
© Bodo Marks/dpa

Vor 2 Jahren in Hamburg: Mit Schildern, unter anderem mit der Aufschrift "Hass ist keine Meinung", ziehen Teilnehmer bei einer bunten Parade gegen Rassismus durch die Innenstadt.

Vor 3 Jahren in Berlin: Eine Frau schaut sich auf dem Gendarmenmarkt eine Mauer mit Steinen aus Styropor an, auf die Hate Speech gedruckt ist. Die Mauer voller Hass-Botschaften wurde symbolisch zum Einsturz gebracht.
© Britta Pedersen/zb/dpa

Vor 3 Jahren in Berlin: Eine Frau schaut sich auf dem Gendarmenmarkt eine Mauer mit Steinen aus Styropor an, auf die Hate Speech gedruckt ist. Die Mauer voller Hass-Botschaften wurde symbolisch zum Einsturz gebracht.

Ein Spruch gegen Hassrede der Jugendbewegung "No Hate Speech Movement".
© No Hate Speech Movement

Ein Spruch gegen Hassrede der Jugendbewegung "No Hate Speech Movement".

Hate Speech im Netz - Einfluss auf die Gesellschaft

Rechter Hass hat einen gefährlichen Einfluss auf die Gesellschaft. Eine Befragung des Meinungsforschungsinstituts YouGov in Hessen ergab, dass Hassrede im Netz das Meinungsbild verzerren kann.

Der Grund: Hassrede hält viele Menschen davon ab, ihre politische Meinung zu äußern. Extreme Ansichten des rechten Rands wirken verbreiteter als sie es tatsächlich sind, wenn sie unwidersprochen stehen bleiben.

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Mit Humor gegen digitalen Hass

Gegenrede geht auch humorvoll - das beweist das No Hate Speech Movement. Die Jugendbewegung wurde 2013 auf Initiative des Europarates ins Leben gerufen. Seitdem setzen sich Aktivistinnen und Aktivisten in über 40 Ländern gegen Hassrede im Internet und für ein respektvolles Miteinander ein.  

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Rassismus im Alltag: Hast du es schon einmal erlebt?

Ein "Witz" mit dem N-Wort beim Feierabendbier mit Freunden, eine herablassende Randbemerkung über Frauen mit Kopftuch in der U-Bahn oder stupide Verallgemeinerungen in einer lockeren Gesprächsrunde. Viele - selbst Menschen, die sich selbst als überhaupt nicht rassistisch sehen - benutzen im Alltag unbedacht Formulierungen, die im Kern diskriminierend und herabwürdigend sind.

Bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes werden immer mehr Fälle von rassistischer Diskriminierung gemeldet. Im Vergleich zum Vorjahr haben die Fälle um 10 Prozent zugenommen. So heißt es im Jahresbericht 2019 der Antidiskriminierungsstelle:

"Insgesamt 1.176 Mal haben sich Personen im Jahr 2019 an die Beratung der Antidiskriminierungsstelle gewandt, weil sie sich im Arbeitsleben oder bei Alltagsgeschäften aufgrund ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert gefühlt haben."

Das kannst du dagegen tun: 7 Tipps

Irritiere deinen Gegenüber mit Nachfragen: Nur die wenigsten haben mal eben die neuesten Zahlen aus der Kriminalstatistik parat. Wenn sich ein Argument falsch anhört, frage nach: "Wo hast du diese Informationen her?" oder "Inwiefern gibt es da einen Zusammenhang?" Dein Nachhaken bringt dein Gegenüber in Erklärungsnot und nimmt der Diskussion das Tempo.

🤝 Solidarisiere dich mit Betroffenen: Ist eine betroffene Person bei einem rassistischen Kommentar anwesend, ist das Schweigen der Umstehenden für sie oft genauso schlimm wie der Angriff selbst. Fragen wie "Brauchst du Hilfe?" oder "Kann ich dich unterstützen?" helfen in solchen Momenten weiter.

🤔 Mache versteckte, rassistische Kommentare sichtbar: Die Aussage fällt unvermittelt in einer Randbemerkung? Mach sie mit einer Rückfrage sichtbar, zum Beispiel: Willst du wirklich, dass alle das Land verlassen?

📚 Trau dich zu widersprechen: Es hilft, sich Basiswissen anzueignen, um das eigene Gefühl von Sprachlosigkeit zu überwinden. Bücher wie "Exit Racism" von Tupoka Ogette und "Deutschland Schwarz Weiß" von Noah Sow helfen dabei. Lege deinen eigenen Lernprozess offen, das macht das Thema zugänglicher für deinen Gegenüber.

👥 Schaue dich nach möglichen Verbündeten um: Wenn andere von dem Gespräch mitbekommen haben könnten, dann sprich sie direkt an und bitte sie, Position zu beziehen. So zeigst du dem Gegenüber: Die Mehrheit ist anderer Meinung.

Bedenke vorher: Ist das die richtige Situation, um zu diskutieren? Fehlen dir Hintergrundinfos oder will dein Gegenüber überhaupt nicht ins Gespräch kommen, sondern nur schlechte Stimmung machen? Du musst nicht sofort auf jede Aussage reagieren. Wenn du mit einem Bekannten diskutierst, kannst du die Diskussion auch verschieben. Damit zeigst du auch, dass es sich für dich um eine ernst zu nehmende Angelegenheit handelt.

🛑 Auch einfach "Stopp" sagen hilft: Damit bringst du zum Ausdruck, dass du diese Äußerungen nicht hören willst und selbst eine andere Meinung hast.

Gegen Rassismus im Alltag und Hass im Netz: Beratungsstellen

HateAid - Beratungsstelle für Betroffene digitaler Gewalt

Beratungsstellen in Deiner Nähe finden

Hilfetelefon: Digitale Gewalt

Telefonseelsorge

Online-Beratung gegen Rechtsextremismus, Gegen Vergessen für Demokratie e.V.

Rassismus begegnen: Flyer der Bundeszentrale für politische Bildung

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