Digitalisierung in Deutschland: Warum dauert das so lange - und was ist geplant?
- Veröffentlicht: 23.08.2021
- 21:00 Uhr
- Carina Neumann-Mahlkau
Die Digitalisierung in Deutschland kommt nur schleppend voran. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern liegen wir weit hinten. Warum das so lange dauert und was in naher Zukunft geplant ist, erfährst du hier. Im Clip: das neue Tele-Kommunikations-Gesetz.
Digitalisierung in Deutschland: Das Wichtigste zum Thema
Unter dem Begriff Digitalisierung versteht man die Umwandlung von analogen Informationen in digitale Formate - sei es als digitale Darstellung, Daten oder Geschäfts-Model. Die digitalen Informationen werden erstellt, gespeichert, verteilt und/oder verarbeitet. Dabei lassen sie sich schneller und flexibler handhaben als analoge Informationen. Beispiele für analoge Informationen sind Ton- und Video-Aufnahmen, Bilder, Dokumente (Akten-Ordner, Kranken-Akten, Bücher…) und Temperatur-Messdaten.
Grundlagen für die Digitalisierung sind moderne Computer-Technologien, das Internet, Datenbanken, Smartphones und Kommunikations-Netze. Der angestrebte digitale Wandel betrifft die Gesellschaft wie auch die Wirtschaft, Bildung, Politik und Kultur.
In Sachen Digitalisierung hängt Deutschland im internationalen und europäischen Vergleich noch weit hinterher. 2013 etwa scannte China längst QR-Codes, halb Skandinavien verfügte über schnelles Glasfaser-Internet, und Kanzlerin Angela Merkel sagte "Das Internet ist für uns alle Neuland".
Bis heute hat Deutschland seinen Rückstand nicht aufgeholt. Nur rund 5 Prozent unseres Internets kommen etwa aus schnellen Glasfasern. Im europäischen Vergleich liegen wir weit hinter Tschechien oder Polen.
Laut einer Umfrage der Unternehmens-Beratung McKinsey war Deutschland auch während des Lockdowns das digitale Schlusslicht Europas. Im Schnitt erledigten 80 Prozent der Europäer alltägliche Angelegenheiten wie Einkaufen, Lernen, Behörden-Gänge oder Meetings online. In Deutschland nutzten nur 65 Prozent Online-Dienste.
Gut zu wissen: Deutschland hat zwar mit Dorothee Bär eine Beauftragte für Digitalisierung, ein eigenes Ministerium dafür gibt es aber nicht.
Ist ein digitaler Alltag auch in Deutschland möglich? Im Galileo-Podcast!
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Digitalisierung: Das ist geplant
👍 Step by step geht die Digitalisierung auch in Deutschland voran. Ab diesem Jahr soll viel passieren. Ein Ausblick:
💻 Das "Tele-Kommunikations-Modernisierungs-Gesetz", "kurz" Tele-Kommunikations-Gesetz, soll noch Ende dieses Jahres in Kraft treten.
🌐 Schnelles Internet wird dann zum Recht für jede:n. Du hast eine schlechte Anbindung? Dann kannst du bei der Bundesnetz-Agentur Nachbesserung beantragen.
📱 Außerdem soll es bis 2026 überall, selbst im Zug oder im Wald, mindestens einen 4G Empfang geben.
📞 Weitere Revolution: Handy- und Festnetz-Verträge über 1 oder 2 Jahre dürfen sich nach der Laufzeit nicht mehr automatisch verlängern - sie sind dann monatlich kündbar.
🖱️ Dank des "Online-Zugangs-Gesetzes" sollen bis Ende 2022 außerdem alle 575 Verwaltungs-Leistungen vollständig online verfügbar sein.
Warum dauert das alles so lange? Vorsicht, Angst, Sicherheit und Datenschutz
Estland setzt buchstäblich alles auf eine Karte. Würdest du dort leben, hättest du eine elektronische "ID-Card", die alles über dich weiß. Sie ist Personal-Ausweis, Kranken-Karte- und -Akte, Online-Bank und vieles mehr. Außer Heirat und Scheidung können die Estländer alle Verwaltungs-Angelegenheiten online erledigen, die Steuer-Erklärung etwa dauert für sie keine 15 Minuten.
In Deutschland ist so ein digitalisierter Alltag noch weit weg. Laut dem Kompetenz-Zentrum Öffentliche IT am Fraunhofer-Institut können wir hier aktuell 24 Prozent der Verwaltungs-Aufgaben (also Ummelden, Wohngeld-Anträge stellen, etc.) vollständig online erledigen.
Ein Grund für die digitale Zurückhaltung: unsere Vorsicht. Deutschland setzt wie kaum ein anderes Land auf Sicherheit und Datenschutz. Laut einer Umfrage des Bitcom Digital-Verbands sehen zum Beispiel 40 Prozent der Ärztinnen und Ärzte die Digitalisierung als ein Risiko. Und auch ein großer Teil der Bevölkerung traut ihr noch nicht so ganz.
Die TOP 10 der digitalen Ängste der Deutschen
Laut einer Studie von "iBusiness" und der Marktforschungs-Plattform Appinio sind das die größten "digitalen Ängste" der Deutschen im Alter zwischen 16 und 65 Jahren, auf einer Skala von 1 bis 6:
- Meine Daten werden missbraucht (4,70)
- Kriminalität im Internet steigt (4,68)
- Bürger:innen werden mehr überwacht (4,58)
- Terroristische Cyber-Attacken (4,54)
- Gesellschaft verlernt durch Fake News, Fakten zu interpretieren (4,54)
- Spionage aus dem Ausland wird leichter (4,53)
- Personenbezogene Daten werden unnötig gespeichert (4,52)
- Totale Überwachung (4,47)
- Bürger:innen erleiden Kontrollverlust über eigene Daten (4,46)
- Kriminelle kriegen mehr Macht (4,46)
Die Angst, digital abgehängt zu werden, ist dagegen nicht unter den TOP 10.
Warum ist das Internet in Deutschland so langsam?
🌐 Als Ende der 1990er-Jahre die ersten DSL-Internetkabel verlegt wurden, war Deutschland vorn mit dabei. Dann kam aber aber das schnellere Glasfaserkabel-Internet. Andere Länder ersetzten damals gleich ihre alten DSL-Kupferkabel durch neue Glasfaser.
💻 Deutschland hingegen blieb weiter beim Alten und erneuerte seine DSL-Kabel, anstatt sie auszutauschen. Mittlerweile haben die Kabel zudem ihre besten Tage hinter sich. Der Glasfaser-Ausbau läuft zwar, aber nur langsam.
🌆 Hinzu kommt, dass Deutschland den Glasfaser-Ausbau in die Hände privater Firmen gab. Die schaffen die Leitungen dort, wo es sich für sie am meisten lohnt - in den Städten. Dörfer bleiben dabei oft auf der Strecke. Das soll sich durch das neue Tele-Kommunikations-Gesetz ändern. Mehr dazu im Clip oben.