Klimawandel
Korallen-Bleiche: So wollen Forschende die bedrohten Riffe retten
- Aktualisiert: 17.04.2024
- 19:00 Uhr
- Franziska Schosser
Vom bunten Korallenriff zur grauen Wüste. Die Korallen-Bleiche setzt dem Ökosystem der Meere zu. Der richtige Sound, Medizin und im Labor gezüchtete Organismen könnten Abhilfe schaffen. Aber wird das reichen, um die sogenannten "Regenwälder der Meere" zu retten?
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Das Wichtigste zum Thema
Vor allem die steigenden Wassertemperaturen führen zur Korallen-Bleiche. Aus farbenfrohen Riffen werden graue Unterwasser-Friedhöfe.
Die Klimaerwärmung, Überfischung und der steigende CO2-Spiegel in den Meeren setzen den Korallenriffen zu.
Ohne Korallenriffe kippt das empfindliche Ökosystem in den Meeren. Die Riffe sind der Lebensraum vieler Pflanzen und Tiere, aber können auch Feind sein, beispielsweise vom Seepferdchen.
Die Riffe bilden überdies ein natürliches Schutzschild. Ohne sie drohen Inseln wie die Malediven im Meer zu versinken.
Sonnencreme im Wasser verhindert zudem, dass Sonnenstrahlen in tiefere Bereiche des Meeres vordringen können. Die in den Korallen lebenden Algen brauchen Licht zum Überleben.
Inhalt
- Was ist Korallen-Bleiche?
- Korallen-Bleiche: Great Barrier Reef stark betroffen
- Warum sind Korallen so wichtig?
- Korallen-Zucht: Eine Frage der richtigen Atmosphäre
- Im Video: Die größte Korallenzucht der Welt
- Riffe: Probiotika schützen Korallen
- Labor-Alge soll Korallen hitzeresistenter machen
- Ideen zur Rettung der Korallenriffe
- Bildergalerie: Warum verlieren Korallen ihre Farbe?
- 3 Hauptursachen, worunter Korallen leiden
- Häufige Fragen zur Korallen-Bleiche
Was ist Korallen-Bleiche?
In unseren Weltmeeren gibt es aktuell die zweite globale Korallen-Bleiche innerhalb von zehn Jahren. Laut der US-Wetter- und Ozeanografiebehörde NOAA wurde seit Februar 2023 in jedem großen Ozeanbecken "eine signifikante Korallen-Bleiche" dokumentiert. Das ist die vierte globale Korallen-Bleiche seit Beginn der Aufzeichnungen. Die erste aufgezeichnete Korallenbleiche war 1998.
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Korallen leben in Symbiose mit Mikro-Algen, die durch Sonnenlicht Nährstoffe produzieren. Wenn sich das Wasser jedoch über einen bestimmten Schwellenwert erwärmt, verändert sich das Gleichgewicht zwischen den beiden Partnern. Der Schwellenwert liegt bei länger anhaltenden Temperaturen von über 29 Grad Celsius. Die hohen Temperaturen schädigen zum einen den Photosynthese-Mechanismus der Algen, wodurch sie aggressive Chemikalien produzieren. Die produzierten Chemikalien sind für die Korallen schädlich. Zum anderen hören die Algen auf, der Koralle Zucker zu liefern - bleiben aber weiterhin von ihren Nährstoffen abhängig und werden zu Parasiten. Um sich zu schützen, vertreiben die Korallen ihre nun schädlichen Untermieter. Dadurch fehlen ihnen jedoch die Nährstoffe der Algen. Die Korallen drohen zu verhungern.
Die außergewöhnlich hohen Meeres-Temperaturen weltweit führen zu einer beispiellosen Ausbleichung von Korallenriffen. Laut der Nationalen Ozean- und Atmosphärenbehörde (NOAA) der USA sind bereits jetzt 54 Prozent der Riffe so warm, dass die Korallen ihre symbiotischen Algen verlieren. Jede Woche kommt etwa ein Prozent hinzu. Die letzte großflächige Korallenbleiche gab es 2017. Damals waren bis zu 56 Prozent der Korallenriffe betroffen. Ein Ereignis gilt als global, wenn mehr als zwölf Prozent der Riffe betroffen sind. Bei der Korallenbleiche im Jahr 2024 könnten es womöglich mehr als zwei Drittel sein.
Korallen-Bleiche: Great Barrier Reef stark betroffen
Die Umweltstiftung WWF zeigte sich besorgt über eine gravierende Umwelttragödie in den Korallenriffen der Erde, wie sie im NOAA-Bericht beschrieben wird. Sollte der Zustand weiter anhalten, drohten große Teile dieser Lebensräume abzusterben. Am Great Barrier Reef sind mittlerweile über 60 Prozent der Riffe von der aktuellen Bleiche betroffen. Auch gibt es bereits erste Anzeichen vom Absterben. Das bei Tourist:innen beliebte riesige Gebiet vor der Küste Australiens ist seit Jahren stark von Korallenbleiche betroffen. Kürzlich wurde dort die bereits fünfte Massenbleiche von Korallen innerhalb von nur acht Jahren bestätigt.
Warum sind Korallen so wichtig?
Korallenriffe sind aus verschiedenen Gründen von enormer Bedeutung. Sie beherbergen sie eine unglaubliche Vielfalt an Lebensformen, von Fischen über Wirbellose bis hin zu Algen, die ein komplexes Ökosystem bilden. Obwohl sie nur etwa 0,2 Prozent der Weltmeere insgesamt bedecken, finden sich bis zu 30 Prozent der marinen Artenvielfalt in Korallenriffen.
Korallenriffe bieten auch einen natürlichen Schutz für Küstengebiete, indem sie Stürme und Wellen abschwächen und Erosion reduzieren. Darüber hinaus dienen sie vielen Gemeinden als wichtige Nahrungsquelle, da sie eine Vielzahl von Fischen und anderen Meeresfrüchten beherbergen. Wirtschaftlich sind sie von großer Bedeutung, da sie den Tourismus und die Fischerei unterstützen, die Millionen von Menschen beschäftigen und Einnahmen generieren.
Auch für die Medizin und Forschung sind Korallen und andere Meeresorganismen wichtig. Die Erforschung von Korallen und den von ihnen produzierten Molekülen birgt zahlreiche Potenziale für die Gesundheit von Mensch und Tier. Das Genom (das genetische Material) der Acropora-Koralle weist eine Übereinstimmung von 48 Prozent mit dem des Menschen auf.
Schließlich spielen Korallenriffe auch eine wichtige Rolle bei der Regulierung des globalen Klimas, indem sie Kohlenstoff absorbieren und speichern.
Korallen-Zucht: Eine Frage der richtigen Atmosphäre
👩🔬 Bisher haben Forschende große Korallen zerbrochen, um das Wachstum neuer Teile zu beschleunigen. Der Nachteil: Diese Korallen sind nicht so widerstandsfähig.
👨🔬 Inzwischen ist es Wissenschaftler:innen der Universität Oldenburg gelungen, Korallen im Labor zu vermehren.
🌊 Damit die Korallen ihre Eizellen und Spermien ins Wasser abgeben, mussten die Forschenden die aufwendigenn Bedingungen des Pazifischen Ozeans nachstellen.
🌔 Romantik auf Knopfdruck: Beleuchtung, Tageslänge und sogar die Mondzyklen wurden in den Aquarien simuliert.
💪 Die Good News: Die im Labor gezüchteten Korallen sind widerstandsfähiger als die neu nachwachsenden Teile der "zerbrochenen" Korallen.
💡 Diese Erkenntnisse sollen in Zukunft dabei helfen, das Riff-Sterben aufzuhalten.
Im Video: Die größte Korallenzucht der Welt
Green Seven Hero: Die größte Korallenzucht der Welt
Riffe: Probiotika schützen Korallen
Raquel Peixoto wird auch "Korallen-Ärztin" oder "Riff-Restaurateurin" genannt. Die Brasilianerin forscht für die King Abdullah University of Science and Technology (kurz: KAUST Universität) in Saudi-Arabien. Ist sie nicht gerade im Labor, verarztet sie im Roten Meer Korallen - und zwar mit Probiotika. Das sind Mittel, die lebendige Mikro-Organismen enthalten. Probiotika werden zum Beispiel eingesetzt, um Darm-Erkrankungen zu heilen. Und sie stecken auch im Joghurt, der bekanntlich gut für die Verdauung ist.
Aber was hat das Ganze mit Korallen zu tun? Nicht nur unserer Darm-Flora, auch den Meeres-Organismen tun Probiotika gut: "Wir haben die auf diese Weise behandelten Korallen im Labor Hitze, Pathogenen und Öl ausgesetzt", erklärt Peixoto. Die Kur erhöhte die Überlebens-Rate der Korallen um 40 Prozent. Laut Peixoto regenerieren sich die Korallen durch Probiotika und werden stressresistenter. "Damit haben wir zum ersten Mal eine Medizin für Korallen."
Labor-Alge soll Korallen hitzeresistenter machen
Steigen die Wassertemperaturen, stoßen Korallen ihre nützlichen Mitbewohner ab und bleichen aus. Das passiert, weil die Algen bei höheren Temperaturen giftige Stoffe produzieren. Wenn sich keine neuen Algen niederlassen, stirbt die Koralle ab. Hitze-resistentere Algen könnten das Problem lösen, so die Idee von Forschenden der Universität Melbourne.
So gingen die Wissenschaftler:innen vor: Sie entfernten Algen von den Korallen und vermehrten sie in speziellen Becken. Das Forschungs-Team erhöht von Generation zu Generation leicht die Wassertemperatur über mehrere Jahre. Die Algen passten sich nach und nach an. Auf diese Weise sollten die Nachkommen hitzeresistenter werden. Man spricht von geleiteter Evolution.
Die Forschenden gaben die neuen Algen auf junge freischwimmende Korallenlarven - und zwar bei Temperaturen wie sie bei der Korallenbleiche im Great Barriere Reef herrschten. Das Ergebnis: Die hohen Temperaturen konnten der Korallen-Algen-Symbiose nichts anhaben.
In eine Veröffentlichung der Studie im November 2023 wurden bereits erste Erfolge festgestellt. So wurden die Korallen nicht in ihrem Wachstum eingeschränkt und die hitzebeständigen Algen erhöhten den Schutz der Korallen vor Korallenbleiche oder förderten die Erholung von ausgebleichten Korallen. Allerdings wurde das bisher nur unter Labor-Bedingungen getestet. In einem nächsten Schritt sollen die modifizierten Algen nun in kontrollierte Feldversuche eingesetzt werden. Das soll zeigen, ob der Eingriff außerhalb des Labors mit mehr als einem Korallentyp und in größerem Maßstab funktionieren könnte.
Im Video: Ein Riff aus dem 3D-Drucker
Auf diesen Sound stehen Fische
Forschende haben entdeckt, dass die Akustik eines Korallenriffes entscheidend dafür ist, ob Fische sich dort ansiedeln. Also installierten sie Unterwasser-Lautsprecher in abgestorbenen Abschnitten des Great Barriere Reefs. Dann spielten sie die Geräusche eines belebten Korallenriffs ab.
Und es klappte: Nach 40 Tagen verdoppelte sich die Anzahl der Arten und Fische in diesem Bereich.
Timothy Gordon von der Universität Exeter in Großbritannien erklärt, wie das funktioniert.
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Ideen zur Rettung der Korallenriffe
👨⚕️ Die Coral Doctors gehen auf den Malediven gegen das Korallen-Sterben vor - mit Handarbeit: Aus gesunden Riffen werden Korallen-Ableger genommen und in die abgestorbenen Riffe eingesetzt. Sie helfen den bleichen Korallen bei der Regeneration.
👨🔬 In Hawaii arbeiten Forschungs-Teams an einer neuen Super-Koralle. Das Ziel: Evolution im Schnelldurchlauf. Im Labor werden immer nur die widerstandsfähigsten Exemplare miteinander gekreuzt. Die globale Erwärmung oder ein hoher Säuregehalt in den Meeren können der Super-Koralle nichts anhaben.
👷 Alte Öl-Plattformen werden zu neuen Lebensräumen für Meeres-Lebewesen. Der Abbau und die Entsorgung alter Plattformen ist aufwendig und teuer. Günstiger - und gut für die Umwelt - ist es, sie von schädlichen Materialien zu befreien und in künstliche Riffe umzuwandeln.
Bildergalerie: Warum verlieren Korallen ihre Farbe?
Warum verlieren Korallen ihre Farbe?
3 Hauptursachen, worunter Korallen leiden
🌍 Durch den Klimawandel steigt die Temperatur des Meerwassers und führt zur Korallen-Bleiche. Zuerst verlieren die Unterwasser-Organismen ihre Farbe, dann sterben sie ab.
💨 Die Ozeane sind außer Atem. Der Sauerstoff-Gehalt im Wasser nimmt rapide ab. Die Auslöser sind menschengemacht: Verbrennung fossiler Brennstoffe, Klimaerwärmung, Verschmutzung der Weltmeere.
🎣 Die Überfischung schadet ebenfalls. Bei der Schleppnetz-Fischerei werden große Netze am Meeresgrund entlanggezogen. Was zurückbleibt, ist eine Spur der Verwüstung. In einigen Regionen ist auch Fischen mit Dynamit oder Gift weiterhin erlaubt.